Ach, das waren noch Zeiten, als politische Ämter
bei Abstimmungen in Parteien vergeben wurden, und zwar nach
ausgiebiger Diskussion über die Vor- und Nachteile mehrerer Bewerber.
Demokratie nannte man das – die Älteren erinnern sich vielleicht. Das
war möglicherweise nett, ist aber unmodern. Heute werden Kandidaten
gecastet. Im Fernsehen. Der Rate-Onkel Günther Jauch macht das jetzt
in der ARD mit seinem Sonntagabend-Quiz »Wer wird Kanzlerkandidat?«
Der Kandidat hieß Peer Steinbrück und durfte eine Stunde lang Fragen
beantworten, die ihn nicht im Mindesten aus der Fassung brachten.
Wenn er ins Schwitzen geriet, dann höchstens wegen der
Studiobeleuchtung, und weil er seinen Telefonjoker Helmut Schmidt
gleich mitgebracht hatte, konnte der Besuch beim freundlichen Herrn
Jauch gar nicht schief gehen. Über fünfeinhalb Millionen Zuschauer
respektive Wähler haben sich die Dauerwerbesendung angesehen; eine
solche Quote schafft Fakten, die die SPD nicht unbeeindruckt lassen.
Nicht nur, dass viele Politikmacher und -verbraucher inzwischen
TV-Talkshows für wichtiger halten als politische Gremien. Jetzt
werden auch Personalfragen im Studio entschieden. Immerhin nicht im
Hinterzimmer. Was haben Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier
dem noch entgegenzusetzen? Der eine könnte es beim »Supertalent«
versuchen, der andere bei »Schlag den Raab«. Nur: So gemütlich wie
bei Jauch wird es bei Bohlen und Raab auf keinen Fall.
Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion / CvD
Telefon: 030/2978-1721