Neues Deutschland: zum S-Bahn-Chaos in Berlin

Die Berliner Verkehrsbetriebe streichen das
S-Bahnangebot aus ihrem Online-Service, Außenbezirke sind
abgeschnitten, leere Bahnhöfe zieren nur einsame Schilder: »Hier kein
Zugverkehr.« Doch nein, es sind nicht Hochwasser und Orkan, die die
Berliner S-Bahn von den Gleisen spülen. Was vor anderthalb Jahren
begann, ist ein von Menschenhand gemachtes – man mag es gar nicht
mehr Chaos nennen – Trauerspiel. Die Möchtegernmetropole Berlin
taut langsam aus den Schneemassen wieder auf, und mit den
Schneebergen schmolz auch der Bestand der einsatzbereiten Waggons
dahin. Nur um nun, wie es den Anschein hat, auf niedrigem Niveau
festzufrieren. Die täglichen Meldungen dazu betrachtet der Berliner
so widerwillig wie die Schicht des vor Böller-, Zigaretten- und
Köterfäkalienschmutz starrenden grauen Eises, das ebenso
schockerstarrt die alltägliche Bewegung durch Berlin zusätzlich
erschwert. Doch ob Todesanzeige in der Tageszeitung oder
Irrgartenspiel im Videotext: Der Berliner nimmt das andauernde
S-Bahn-Debakel mit schwarzem Humor – und Gleichmut. Denn wenn er die
dreifache Zeit von A nach B benötigt, dabei x-mal umsteigen muss und
zwischendurch dem siebten hilflosen Touristen weiterhilft, vergeht
auch dem schnoddrigsten Hauptstädter die Lust am Schimpfen.

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