Neues Deutschland: zur hitzigen Debatte um das Kommunismus-Zitat von Linksparteichefin Gesine Lötzsch

Hysterie kann man es eigentlich nicht mal nennen,
was die Dobrindt, Gröhe, Westerwelle, Steinmeier et al da um einen
von der LINKEN gewollten »Kommunismus« aufführen. Sie wissen ja
selbst, dass Gesine Lötzsch und ihre Partei völlig unverdächtig sind,
in vergangene Zeiten zurückzukehren. Die ganze Empörung ist gespielt,
scheinheilig und ein beklemmender Ausdruck der Geistlosigkeit, die
auf den Gipfeln der Politik nistet. Hierzulande nistet, muss man
dabei anfügen – in Frankreich und anderswo würden Konservative sich
zutiefst schämen, sich mit einer solchen Armseligkeit in einer
»Debatte« zu prostituieren. Aber armselig ist leider auch, was man
aus Teilen der LINKEN als Reflex hört. Der Thüringer Fraktionschef
Bodo Ramelow hätte sich »gewünscht, dass auch Gesine Lötzsch dieses
Wort nicht gebraucht hätte, ohne der blutigen Spur des Kommunismus
auch nur einen Viertelsatz zu widmen«. Stefan Liebich vom Forum
Demokratischer Sozialismus innerhalb der LINKEN sagte Ähnliches. Das
kann man vereinbaren – wenn fortan auch das Wort Christentum nie mehr
gebraucht wird, ohne dessen blutige Spur der Brandmorde an Hexen und
Ketzern, der Kreuzzüge und der Kumpanei des Vatikan mit dem
Hitler-Faschismus »einen Viertelsatz zu widmen«. Und wenn von den
hehren Grundsätzen der bürgerlichen Gesellschaft, von Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit nie mehr die Rede ist, ohne anzufügen,
dass sie im Blut der französischen Revolution geboren und durch eine
bürgerliche Schreckensherrschaft getauft wurden. Ja, sie wischen
heute alle den Schwamm darüber, Union und Liberale auch darüber, dass
es Abgeordnete ihrer Vorläuferparteien waren, darunter ein späterer
Bundespräsident, ein Ministerpräsident, ein Bundesminister und ein
Senator, die die Hand für Hitlers Ermächtigungsgesetz hoben. Sollte
man in Analogie eines Herrn Vaatz sagen: »Wären morgen die
Voraussetzungen dafür gegeben, Union und FDP hätten keinerlei
Skrupel, die Demokratie erneut abzuschaffen«? Ein paar Jahrzehnte
mehr oder weniger zurück in der Geschichte, hierhin und dorthin –
Hinzulernen ist relativ. Nur begibt sich außer jenen Antikommunisten
kaum jemand auf ein solches Niveau. Die »Debatte« zeigt vor allem
die allgemeine Verarmung des Politischen und deren Auswirkungen in
der LINKEN selbst. Dürfen, wollen wir uns noch Visionen erlauben? Das
ist die eigentliche Frage, die man aus dem Text der
LINKEN-Vorsitzenden gerne herauslesen möchte, die diese indes – das
wäre eine Kritik! – nur am Rande streift. Es geht ihr dort ja mehr um
den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor als um die – nochmals
ja: historisch tief befleckte – Idee des Kommunismus. Als man sich
2009 sorgte, dass die Finanzkrise das ganze kapitalistische System in
Klump hauen und in einem »Blutbad« ertränken könnte (Handelsblatt),
verästelte sich bis in konservative Medien hinein das Nachdenken über
gesellschaftliche Alternativen. Nun werden Zweige zertreten, die kaum
zu sprießen beginnen. Huch, Kommunismus, welch Schrecken – diese
Menschheitsidee von Freiheit und Solidarität, von individueller und
sozialer Emanzipation.

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