Vor einer Woche wurde in dieser Spalte zuletzt über
Kinderarmut geschrieben. Der Anlass waren Zahlen der Bundesagentur
für Arbeit, die große Erfolge im Kampf gegen die Armut suggerieren
sollten. Der vermeintliche Fortschritt verdankte sich allerdings
weitgehend der negativen demografischen Entwicklung. Die nun
vorliegenden Zahlen der KECK-Studie scheinen auf den ersten Blick
vertrauenswürdiger. Sie zeigen, wo die Armut unter Kleinkindern in
Deutschland besonders verbreitet ist. In Teilen Ostdeutschlands
wachsen demnach mehr als 40 Prozent aller Kinder in Armut auf.
Trotz dieser beängstigenden Zahlen vermelden die Studienautoren, dass
der Anteil armer Kinder rückläufig sei. Doch hier ist Vorsicht
geboten, denn die Forscher der Bertelsmann-Stiftung reduzieren Armut
lediglich auf ein Kriterium – den Hartz-IV-Bezug. Arm ist demnach,
wer die staatliche Grundsicherung erhält. Nicht arm ist, wer Arbeit
hat. Solche Dichotomien haben ihre Tücken. Demnach können die mehr
als sieben Millionen Niedriglöhner und deren Kinder gar nicht arm
sein, weil sie Arbeit haben. Dabei verdienen viele so wenig, dass
ihre Einkommen nur unerheblich über dem Hartz-IV-Satz liegen.
Ironie der Geschichte: Die Bertelsmann-Stiftung hat einst jene
Arbeitsmarktreformen angestoßen, die Millionen dauerhaft ins
Niedriglohngewerbe zwangen. Und nun rechnet sie die daraus
resultierenden sozialen Verwerfungen klein. Weniger ist eben doch
manchmal mehr.
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