NRZ: Das Lebenüberwindet das Leid – Kommentar zu Ostern von Rüdiger Oppers

Das ist schon ein Kreuz mit dem Ei. Beide sind
Symbole des Lebens. Sie stehen für Fruchtbarkeit und Hoffnung. Ostern
ist ein Fest des Lebens. Es gibt für jeden Menschen, unabhängig von
Religionen, die Hoffnung, das Leben könnte dem Tod ewig trotzen.
Ostern steht für diese Ur-Erfahrung von Entstehen, Vergehen,
Wiederauferstehen. Es ist die unverwüstliche Zuversicht, die die
große Mehrheit der Menschheit vereint – so zersplittert sie in
politische oder religiöse Sekten auch sonst ist. Wenn Politiker den
Begriff nicht besudelt hätten, könnte Ostern schlechthin der Anlass
einer wirklichen „geistig-moralischen Wende“ sein. Ein Ei war schon
im alten Ägypten Ur-Symbol für die Geburt allen Lebens. Und das
Kreuz? Auf den ersten Blick sehen wir das krasse Gegenteil: ein
Folterinstrument. Ein Mordwerkzeug. Und doch ist es Zeichen des
letztendlichen Triumphes des guten, gerechten Lebens über den
gewaltsamen Tod. Wer wird nicht ans Kreuz des Lebens geschlagen? Das
Leben und die Liebe überwinden das Leid. Das ist religiöse wie auch
alltägliche Erfahrung. Ostern ist ein frohes Fest. Selbst jene, denen
das Eiersuchen ausreicht, um wenigstens den Frühlingsanfang mit „Hoch
die Tassen“ zu feiern, haben Grund, frohen Mutes zu sein, ebenso wie
Christen, die Ostern als das große Fest des Siegs über den Tod
begehen. In der Natur erwächst in diesen Tagen das Leben neu. Man
spürt, dass in jedem Garten mehr wirkt und west, als wir selbst in
den trickreichst ersonnenen Wolken des Internets binden und lösen
können. Jetzt wird endlich das zu Weihnachten gegebene Versprechen
eingelöst: Das Licht überwindet die Finsternis. Was sich in der Natur
ereignet, entspricht auch menschlicher Erfahrung: Im österlichen
Wunder verwandelt sich schlimmstes Leid in den Sieg der Auferstehung.
Was uns den Alltag schwer machen mag: Missgunst, Neid, Missverstehen,
Sprach- und Gefühllosigkeit sind nicht die letzten Worte. Für die
Christen im Heiligen Land ist das Osterfest keine Party, sondern eine
Prüfung. Dort ist das Kreuz nicht nur ein Symbol, und seine Balken
sind nicht leer, das Leid des Volkes Christi ist nicht „vollbracht“.
Nein, im sogenannten „Heiligen Land“, vor allem in Syrien, Jordanien,
im Libanon und in Palästina gibt es Christenverfolgungen. Folter und
Mord sind dort die Prüfungen des Glaubens, nicht die Kirchensteuer.
Gerade jetzt beweisen die bekennenden Christen eintausendmal mehr Mut
als wir Wohlstandsgläubigen. Sie haben unsere Solidarität und Hilfe
bitter nötig. Ostern zu feiern, ist dort, wo sich Ostern ereignet hat
(also nicht in der Überraschungseierfabrik oder der
Schokohasenschmiede), ein Wagnis geworden und beweist, wie ernsthaft
und wichtig dieses Glaubensfest für viele Menschen ist. Wenn wir
Ostern nicht zum Kommerzkult machen, sondern als möglichen neuen
Anfang für ein besseres Leben begreifen und nutzen, könnte
schließlich die ganze Gesellschaft von Ostern her neue Orientierung
erhalten.

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