Kaum zurück aus dem Urlaub, steht Angela Merkel im
Mittelpunkt. Von der Kanzlerin will die Opposition wissen, ob sie für
oder gegen ein NPD-Verbot sei, ob sie die Besserstellung schwuler und
lesbischer Ehen befürwortet, ob die Zuschuss-Rente kommt. Merkel
lässt sich nicht aus der Reserve locken. Ihre Zurückhaltung darf aber
nicht darüber hinwegtäuschen, was auf dem Spiel steht. Für sie
brechen jetzt entscheidende Monate an – bis zur Bundestagwahl im
September 2013. Man bringt einiges schwer zusammen, die
Zerstrittenheit der Koalitionäre und die hohen Sympathiewerte für
Merkel; die politische Austrocknung der FDP und die innere Ruhe der
Kanzlerin; die Klagen, dass sie in der Euro-Krise die Dinge treiben
lässt und der Eindruck, dass sie „präsent ist, nervenstark“, wie Peer
Steinbrück – ein möglicher Herausforderer – bemerkt. Die Publizistin
Gertrud Höhler vermisst eine wertegebundene Politik und meint, dass
die Deutschen dabei sind, „sich darauf einzustellen“. Sich daran zu
gewöhnen – das trifft es besser. Von Wechselstimmung ist wenig zu
spüren. Eine konservative Publizistin treibt die Kritik am „System M“
auf die Spitze, weniger die Opposition. Verkehrte Welt. Es ist gut
möglich, dass Merkels Art, die Prozesse zu verlangsamen, dass ihre
„Politik der kleinen Schritte“ die Euro-Krise eher noch verschärft
hat. Dann wäre sie längst nicht Teil der Lösung, sondern Teil des
Problems. Ihr kommt zugute, dass niemand genau abschätzen kann, ob
sie alles falsch gemacht hat und dass die SPD in der Kandidaten-Frage
unklar ist. Am Ende geht es bei jeder Wahl um Vertrauen. So lange die
Bürger nicht den Gegenkandidaten kennen, wächst Merkels Vorsprung.
Ihr größtes Problem heißt nicht Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück oder
Frank-Walter Steinmeier, sondern FDP und Philipp Rösler. Sie braucht
Partner. Wenn sie Kanzlerin bleiben will, muss sie in den nächsten
Monaten Röslers FDP und Schwarz-Gelb wiederbeleben. Ihre
Bewährungsprobe ist die Euro-Krise. Dabei muss sie sich auf Union und
FDP verlassen können. Andernfalls wird ein altes Bonmot bestätigt. Es
lautet: Kanzler werden in Deutschland nicht gewählt – sie werden
abgewählt.
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