Rheinische Post: Der Eklat im Bundestag

Ein Kommentar von Gregor Mayntz:

Foul! rufen Union und FDP und werfen SPD und Grünen ein Vergehen
an der Demokratie vor. Dabei waren die Regierungsparteien selbst nur
mit halber Mannschaft aufgelaufen, als gestern die erste Beratung des
Betreuungsgeldes näher rückte. So konnte die Opposition mit einem
Trick das Thema aus dem Zeitplan werfen. Beide Seiten haben recht.
Die Kritiker des Vorhabens haben sich nicht an Absprachen gehalten,
die den Bundestag arbeitsfähig halten. Und die Koalition hat den
Fehler gemacht, an einem kritischen Freitag Mittag bei einem
kritischen Thema keine Vorsorge für mehr Präsenz getroffen zu haben.
Damit hat es die Opposition geschafft, die Blicke auf den Umstand zu
lenken, dass das Betreuungsgeld auch bei vielen Abgeordneten der
Regierungsparteien keine Herzensangelegenheit ist. Es gehört zu guter
Oppositionsarbeit, den Hebel dort anzusetzen, wo sich die Regierung
am besten vorführen lässt. Nicht mehr und nicht weniger hat sie
getan. Längst steht das Betreuungsgeld für das Schicksal der
Koalition und ihre Durchsetzungsfähigkeit. Aber es geht auch um die
Arbeitsweise des Parlamentes. Am Vorabend gaben 140 Abgeordnete ihre
Beiträge zu Protokoll, um sich 28 Debatten zu ersparen. Stattdessen
wechselten sie zu einem Sommerfest. Bezogen auf die wichtige Funktion
als Forum der Nation ist das der eigentliche Skandal.

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