Rheinische Post: Kluges Urteil

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte zu Kruzifixen in staatlichen Schulen hebt sich
wohltuend ab von anderen, törichten Entscheidungen Straßburgs, die –
ob in Britannien oder Deutschland – auf Begünstigung notorischer
Krimineller hinauslaufen. Diesmal hat sich das Gericht, dessen
Rechtsprechung sich die 47 Europa-Rats-Mitglieder unterwerfen, in
kluger Weise „judicial self restraint“, also richterliche
Selbstbeschränkung gegenüber dem politisch-gesetzgeberischen Willen
in den Europa-Rat-Staaten auferlegt. Gut so: Richter bleibt bei euren
Leisten, lasst die Kirche im Dorf und die Kruzifixe in
Klassenzimmern. Das Kruzifix als Symbol des Christentums, das
wiederum im abendländischen Kulturgarten wurzelt, ist kein
aggressives Zeichen an der Wand. Wäre es so oder diente es gar der
Indoktrination, verstieße das Kruzifix gegen das Menschenrecht auf
Religionsfreiheit. Letztere schützt nämlich nach dem Willen des
Grundgesetzes („negative Religionsfreiheit“) auch die Freiheit, in
staatlichen Räumen von Religion unbehelligt zu bleiben. Straßburg
unterstreicht womöglich unbeabsichtigt: Kruzifix und Christentum
nehmen dem Einzelnen nichts, geben ihm aber viel, zuallererst Halt
und Richtung.

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