Schwäbische Zeitung: Das Gesicht des Frühlings – Leitartikel

Der Mann ist klein, eher schmächtig, hat ein
sanftmütiges Gesicht. Der Mann ist ein Revolutionär der ersten
Stunde, wie ihn sich der politische Beobachter gerade nicht
vorstellt. Und doch ist Boualem Sansal genau die richtige Wahl für
den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Denn der algerische
Schriftsteller belegt eindrucksvoll die Macht der Literatur in einer
Gesellschaft.

Die Kraft gedruckter Worte hat ja gerade auch auf dieser Buchmesse
eine zuweilen verzagte Branche angezweifelt. Sansal aber belegt, dass
zu solcher Depression kein Anlass besteht – wenn die Schreibenden
auch etwas zu sagen haben. Denn dann bieten Bücher und übrigens auch
Zeitungen die Möglichkeit, Botschaften mit langem Atem und
Glaubwürdigkeit in die Köpfe der Leser zu bringen. Die nehmen –
anders als in der flüchtigeren Welt von Fernsehen, Radio oder
Internet – nämlich mehr Muße und Konzentration für die Lektüre auf
sich. Kluge Gedanken können in der Hand des Lesers so besser
überdauern und sich zu klugem Handeln entfalten.

Sansals Bücher sind dafür ein Beispiel: Der Algerier schreibt seit
Jahren – und lange vor der arabischen Revolution – für die Freiheit.
Der Autor schreibt aber auch schon lange gegen Islamismus und
Nationalismus an. Hoffentlich landet auch diese Botschaft ähnlich
erfolgreich in den Köpfen der neuen Regierenden.

Der Friedenspreisträger hat mit seinen satirischen Betrachtungen
lange Jahre einen Traum von mehr Demokratie umschrieben. Ein Träumer
aber ist der gelernte Maschinenbauer gerade nicht, wie die Ereignisse
der vergangenen Monate in der arabischen Welt beweisen. Darum sind
auch die Gedanken Sansals zu einer Aussöhnung im Nahen Osten und zu
mehr Gerechtigkeit in dieser Welt eben nicht nur schöne Worte.
Vielmehr drücken sie die Sehnsucht aus, das der Wunsch nach einer
friedlicheren Welt nicht Utopie bleibt. Literaten wie Sansal sorgen
mit ihren gedruckten Gedanken dafür, dass diese Sehnsucht in Bewegung
kommt – und Realität wird.

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