Schwäbische Zeitung: Landärzte sind Lebensqualität – Kommentar

n Baden-Württemberg wie in Bayern basteln die
Kassenärztlichen Vereinigungen an Notprogrammen, die den drohenden
Zusammenbruch der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum
abwehren sollen. Aber mehr als Mangelverwaltung kann dabei nicht
herauskommen. Denn die düstere Zukunft wird davon bestimmt, dass sich
immer mehr junge Mediziner den Knochenjob eines Landarztes nicht
antun wollen.

Es gibt betagte Landärzte, die auf der regelmäßigen
Hausbesuchstour selber an ihre körperlichen Grenzen stoßen. Viele
haben es zudem längst aufgegeben, darüber nachzudenken, dass ihr
Stundenlohn dabei nicht ausreicht, um eine Mechaniker-Stunde in ihrer
Autowerkstatt zu bezahlen. Und dass ihre Arbeit umso schlechter
vergütet wird, je länger und je mehr sie arbeiten.

Viele junge Medizinerinnen und Mediziner haben außerdem eine
andere Vorstellung vom Familienleben als ein Dasein mit
Dauer-Bereitschaftsdiensten rund um die Uhr. Es ist also kein Wunder,
dass der ländliche Raum zum medizinischen Notstandsgebiet wird. Das
gilt längst auch für Landstriche mit hoher Lebensqualität.

So entsteht ein Teufelskreis, weil ordentliche medizinische
Versorgung zu eben dieser Lebensqualität gehört. Wenn aber
wohnortnahe Krankenhäuser in Serie schließen und Hausärzte keine
Nachfolger finden, ist ein Zustand erreicht, den die teuerste
Strukturpolitik nicht ausgleichen kann.

Ohne Hausärzte verlieren die Dörfer zunehmend ihr menschliches
Gesicht, das bisher noch davon geprägt ist, dass alte Menschen
häufiger als in großen Städten in ihren Familien leben und sterben
dürfen. Auch das ist nur dann möglich, wenn sich diese Familien
darauf verlassen dürfen, dass ihr Doktor zur Stelle ist, wenn sie
Hilfe brauchen.

All das ist wohl noch wichtiger als Hightech-Medizin in immer
größeren Kliniken, immer weiter entfernt von den Patienten. Es fehlt
im Gesundheitswesen nicht am Geld, sondern am Willen, dieses Geld
gerecht und sinnvoll zu verteilen.

Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de