Schwäbische Zeitung: Sieg nach Punkten – Leitartikel

Die Spannung und vielleicht auch Dramatik bei
der Wahl von Andreas Schockenhoff zum Bundestag-Direktkandidaten des
Kreises Ravensburg mögen viele mit örtlichen Besonderheiten erklären,
sie ist aber auch Ausdruck der allgemeinen Verunsicherung der
CDU-Basis über den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel.

Berliner Beobachter vergleichen die Herausforderung einer
Euro-Rettung durch Merkel mit der Agenda 2010 von SPD-Amtsvorgänger
Gerhard Schröder. Beides notwendig für Deutschland, beides gefährlich
für den Machterhalt. Kommunikativ waren oder sind beide Unterfangen
hochproblematisch für die jeweilige Regierungspartei. Und hier muss
Merkel im Interesse der Union wie der Regierungsfähigkeit der
schwarzgelben Koalition gegensteuern. Die eigene Mehrheit im
Bundestag kann Merkel schon jetzt nicht mehr garantieren, wenn es um
den europäischen Fiskalpakt und den Rettungsfonds ESM geht.
Konservative Parallel-Klubs werden zum Ärger des wertkonservativen
Fraktionschefs Volker Kauder gegründet. In der CDU brodelt es wie
weiland in der SPD, als Schröder die Sozialreformen durchsetzte und
damit den vermeintlichen Markenkern seiner Partei beschädigte.

Umfragen zeigen, dass an Merkels Regierungskunst kaum jemand
zweifelt, manche Volten und strategische Kniffe aber eher verwirren
als beruhigen. Jetzt reiht sich der Bundespräsident in die Gruppe
derer ein, die mehr Erklärungen einfordern. Merkel sollte reagieren,
denn die Mühe des Kommunizierens lohnt. Schockenhoff hat sich bei
seiner Kampfkandidatur mehr als 1000 CDU-Mitgliedern gestellt und
dabei eindringlich für die Merkel-Politik geworben. Am Ende stand er
damit zugleich als Sieger über Kritiker an den Brüsseler
ESM-Beschlüssen da. Das zeigt, dass auch mit komplexen Themen – so
sie dann aufgenommen und diskutiert werden – gepunktet werden kann.
Die CDU in Ravensburg hat es vorgemacht, wie in einer Volkspartei
innerparteilich Politik gestaltet werden kann.

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