stern: Helmut Schmidt warnt vor deutscher Rolle als Weltpolizist

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt warnt
davor, dass sich Deutschland durch Auslandseinsätze der Bundeswehr
immer mehr in fremde Konflikte einmischt. „Bündnispflicht und
deutsche Kontinuität bedeuten nicht, unsere Soldaten an alle
möglichen Schauplätze der Welt zu schicken“, sagte Schmidt in einem
Interview in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des
Hamburger Magazins stern. „Ich misstraue im Prinzip dem Gedanken,
dass die Humanität höher steht als der uralte Grundsatz des
Völkerrechts: Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines
souveränen Staats.“ Die Erfahrung zeige auch, dass tatsächliche
Interventionen keineswegs nur aus humanitären Motiven erfolgten.
Dabei spielten auch national-egoistische Motive, Erfolgschancen oder
etwa Öl-Interessen eine große Rolle.

Ausdrücklich kritisierte Schmidt „die Leichtigkeit, mit der der
Westen in muslimischen Staaten interveniert“. So schaffe man sich
ständig neue Feinde. Nach Ansicht Schmidts, der erster
sozial-demokratischer Verteidigungsminister der Bundesrepublik war,
ist Deutschland durch den Nato-Vertrag keineswegs verpflichtet,
Soldaten außerhalb des Bündnisgebiets einzusetzen, etwa in
Afghanistan. Der Einsatz dort dürfe nicht als ein Regelfall für den
Umbau der Bundeswehr dienen.

Schmidt hält es für ein schweres Versäumnis, dass eine ernsthafte
Diskussion über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr noch gar nicht
stattge-funden habe. „Ich habe die ganze Scheiße des Zweiten
Weltkrieges von Anfang bis Ende erlebt“, sagte der langjährige
Wehrmachtsoldat dem stern, „die heute Regierenden wissen nicht, dass
jeder Krieg, je länger er dauert, zur Brutalisierung der einzelnen
Menschen führt.“

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stern-Reporter
Wolfgang Metzner
Telefon 040-3703-3589

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