Stromnetze für die Energiewende – flexibel planen, optimal nutzen

Pressemitteilung

Zweite Stellungnahme der Deutschen Umwelthilfe zum
Netzentwicklungsplan moniert mangelnde Prüfung technischer
Alternativen – Abregelung von Einspeisespitzen bei Wind und Sonne und
Flexibilisierung des konventionellen Kraftwerksparks mindern
Netzausbaubedarf und schaffen Platz für Erneuerbare – Transparente
Darstellung der Notwendigkeit jeder neuen Leitung als Voraussetzung
für Akzeptanz – Verlangsamung der Energiewende führt nicht zu
geringeren Kosten

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat davor gewarnt, die
Energiewende unter dem Deckmantel angeblicher Kostenersparnisse und
wegen Verzögerungen beim Bau neuer
Hochspannungs-Übertragungsleitungen künstlich auszubremsen. Vielmehr
sei das künftige Stromübertragungsnetz so auszugestalten, dass der
dynamische Zubau von Wind- und Sonnenenergie ohne Unterbrechung
weitergehen könne. Die Netzplanung für die Energiewende müsse deshalb
gezielt flankiert werden durch Maßnahmen, die einerseits helfen,
überflüssige Stromtrassen zu vermeiden und andererseits Platz
schaffen für den weiteren Zuwachs der Erneuerbaren Energien aus Wind
und Sonne.

„Die mit dem Netzentwicklungsplan Strom 2012 bisher vorgelegte
Ausbauplanung krankt daran, dass technische Alternativen und
absehbare Entwicklungen kaum geprüft werden“, sagte der Leiter
Erneuerbare Energien der DUH, Peter Ahmels anlässlich der Vorstellung
der zweiten Stellungnahme der DUH zum Netzentwicklungsplan Strom 2012
(NEP 2012) und zur Strategischen Umweltprüfung (SUP) zum
Bundesbedarfsplan. Dabei stehe ein ganzes Bündel technischer
Maßnahmen zur Verfügung, die geeignet seien den Netzum- und -ausbau
auf das absolut notwendige Maß zu begrenzen und gleichzeitig die für
die Energiewende erforderliche Zubaudynamik bei Wind- und
Sonnenenergie abzusichern, erläuterte Ahmels. Er forderte die
Bundesnetzagentur auf, ihre Zustimmung zum Planentwurf der
Übertragungsnetzbetreiber an entsprechende Hinweise und Prüfaufträge
zur schnellstmöglichen Untersuchung solcher Alternativen zu koppeln.
Für deren Umsetzung müsse allerdings in den meisten Fällen der
Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen.

Eine zentrale Möglichkeit zur Vermeidung von Netzüberlastungen
könnte die Abregelung der Einspeisespitzen von Windkraftwerken sein,
die nur wenige Stunden im Jahr auftreten. „Unsere Untersuchungen
zeigen, dass mit einer Abregelung der Onshore- Windenergieanlagen in
Höhe von nur zwei Prozent der in ihnen erzeugten Jahresarbeit mehr
als 30 Prozent der Netzkapazität eingespart werden können“,
erläuterte der Energieforscher Soroush Nakhaie von der TU Clausthal
anlässlich der Vorstellung der Stellungnahme der DUH in Berlin. Statt
die Erzeugungsspitzen einfach abzuregeln, könnten sie perspektivisch
möglicherwiese auch sinnvoll genutzt werden, etwa zur „Betankung“ von
Elektroautos oder in Elektrowärmepumpen.

Als weitere Möglichkeiten zur Minderung des Netzausbaubedarfs und
zur Schaffung von „mehr Platz für Erneuerbare im Netz“ fordert die
DUH die Zurückdrängung von konventionellen Kraftwerken, die heute
noch zur Aufrechterhaltung der Systemsicherheit laufen müssen, dabei
aber aufgrund ihrer technischen Inflexibilität hohe
Mindestleistungen kontinuierlich ins Netz einspeisen (so genannte
Must-Run-Units). Außerdem könne durch Modifikationen der
Vergütungsmodalitäten im Erneuerbare-Energien-Gesetz ein
harmonischerer Zubau von Wind- und Sonnenenergie über ganz
Deutschland erreicht werden. Der Bau neuer konventioneller
Gaskraftwerke, die in Süddeutschland ohnehin zum Ausgleich
abgeschalteter Atomkraftwerke gezielt angereizt werden müssen, würde
ebenfalls den notwendigen Stromtransport von Nord nach Süd
reduzieren.

Insbesondere im Zusammenhang mit der parallel durchgeführten
Strategischen Umweltprüfung zum Bundesbedarfsplan (SUP) warnt die DUH
davor, wegen eines angeblich zu hohen Aufwands auf die Prüfung von
Alternativen zu verzichten. Diese sei rechtlich zwingend. Der
Verzicht etwa auf eine Alternativenprüfung zu den vier im NEP 2012
vorgesehenen Hochspannungsgleichstromübertragungstrassen (HGÜ) führe
zu hoher Rechtsunsicherheit. Auseinandersetzungen durch alle
Gerichtsinstanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof und damit
entsprechende Verzögerungen des Netzum- und -ausbaus seien deshalb
nicht auszuschließen. Die DUH moniert außerdem, dass im Hauptszenario
der Netzbetreiber Braunkohlekraftwerke trotz einer Verdoppelung des
Anteils von erneuerbarem Strom im Netz praktisch rund um die Uhr
unter Volllast laufen sollen. Dies sei vollkommen unrealistisch und
sei weder mit den bereits heute beobachteten Realitäten noch mit den
Energieszenarien der Bundesregierung in Einklang zu bringen.

Zentrales Anliegen der DUH ist es, heute nicht eine Netzplanung
irreversibel festzuschreiben, die sich später als übertrieben und zu
teuer erweisen könnte. Deshalb müsse die Netzplanung wie die gesamte
Energiewende als lernender Prozess angelegt werden, in dessen Verlauf
Fehler revidierbar bleiben.

Mit Blick auf den Energiegipfel, zu dem sich Bund und Länder am
Freitag in Berlin verabredet haben, warnte der Leiter Politik und
Presse der DUH, Gerd Rosenkranz, vor Entscheidungen zur Verlangsamung
der Energiewende, wie sie neuerdings auch Bundesumweltminister Peter
Altmaier (CDU) ins Spiel bringe. Rosenkranz: „Es ist ein
fundamentaler Irrtum, zu glauben, die Energiewende werde
kostengünstiger, wenn wir sie langsamer vollziehen. Umgekehrt wird
ein Schuh draus: Je länger wir das alte und das neue Energiesystem
parallel betreiben, umso teurer wird es für die Gesellschaft, für
nachfolgende Generationen und für die Umwelt.“ Rosenkranz erinnerte
daran, dass es darum gehe, die Katastrophenrisiken der Atomenergie
und die Klimaschäden der fossilen Energien einzudämmen. „Manche, die
sich heute zu Wort melden, haben Fukushima und die für zigtausende
Menschen auf der Welt schon jetzt tödlichen Folgen der Erderwärmung
offenbar schon wieder vergessen.“

Hinweis: Die zweite Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan Strom
2012, sowie eine rechtliche Würdigung der fehlenden
Alternativenprüfung im Umweltbericht (SUP) zum Bundesbedarfsplan
finden sie unter folgendem Link:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews%5btt_news%5d=2954

Pressekontakt:
Dr. Peter Ahmels, Leiter Erneuerbare Energien, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0; Mobil: 0151 16225863; E-Mail:
ahmels@duh.de

Dipl.-Ing. Soroush Nakhaie, TU Clausthal; Tel.: 0176-84035556,
soroush.nakhaie@tu-clausthal.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0; Mobil: 0171 5660577; E-Mail:
rosenkranz@duh.de