KOMMENTAR zu UNGARN
Ausgabe vom 12.03.2013 So schlimm wird es schon nicht kommen,
mögen sich die EU-Staaten gedacht haben, als der ungarische
Ministerpräsident Victor Orban sie vor zwei Jahren schon einmal mit
einer umstrittenen Verfassungsänderung herausgefordert hat. Sie
irrten sich. Weder kollegiale Ermahnungen noch eindringliches Zureden
haben Orban vom Plan abgebracht, den Einfluss seiner
Rechtskonservativen über Wahlperioden hinaus in der ungarischen
Gesellschaft zu zementieren. Die gestern im Parlament verabschiedete
Verfassungsänderung behandelt die demokratische Grundkonstitution
Ungarns wie einen Steinbruch, den die Rechtskonservativen je nach
Gusto ausbeuten können. So haben sie mit ihrem Angriff auf das
Verfassungsgericht, das künftig Verfahren nur noch formal, nicht aber
mehr inhaltlich prüfen darf, einen wesentlichen Block aus dem für
Demokratien so wichtigen Fundament der Gewaltenteilung
herausgeschlagen. Die Änderung hat Konsequenzen für all jene, die
nicht im Strom der Orban-Regierung schwimmen. Allen voran die
Opposition. Mit den neuen Regeln zieht Willkür ein, die auch andere
gesellschaftliche Gruppen treffen kann. Damit wandelt sich eine junge
Demokratie zu einer Zwei-Drittel-Diktatur – im Herzen Europas. Und
die Hüter europäischer Werte in Brüssel? Sie üben sich in
Zurückhaltung. Das reicht nicht aus, will die Europäische Union als
Wertegemeinschaft ernst genommen werden. Brüssel muss dem
Mitgliedsland auf die Finger schlagen: Der Stimmrechtsentzug wäre
eine Möglichkeit, Zurückhaltung bei finanziellen Förderungen eine
andere. Ungarn muss spüren, dass sein Weg in der EU aufs Abstellgleis
führt.
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