Trierischer Volksfreund: Zum Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten – Leitartikel, Trierischer Volksfreund 03.07.2012

Die skandalöse Pannen-Serie bei der Aufklärung der
neonazistischen Mord-Taten hat zu ersten Konsequenzen geführt: Heinz
Fromm, der Chef des Bundesverfassungsschutzes, wirft das Handtuch und
lässt sich in den Ruhestand versetzen. Man kann darüber streiten, ob
es sich um eine angemessene Form der Verantwortungsübernahme für die
beispiellosen Vorgänge handelt. Fromm war ohnehin kurz vor der
regulären Pensionierung. Umso unbefangener hätte er die
Aufklärungsarbeit vorantreiben können. Auch kann man Fromm nun
wirklich nicht nachsagen, er sei auf dem rechten Auge blind gewesen.
Er hat sich dagegen gewehrt, Recht- und Linksterrorismus in einen
Topf zu werfen. Und er hat sich auch nicht in Schönfärberei geübt,
wie es leider viele Vorgesetzte tun, wenn ihre Firma großen Mist
gebaut hat. Fromm sprach schnörkellos von einem „erheblichen
Vertrauensverlust“ und einer „gravierenden Beschädigung“ des Ansehens
seiner Behörde.

Mit dieser sehr zutreffenden Einschätzung ist es allerdings nicht
getan. Im Moment bleibt eher der Eindruck haften, Fromm könnte
lediglich ein Bauernopfer sein, um das ganze Ausmaß einer möglichen
Vertuschung zu verschleiern. Dabei geht es um den schlimmen Verdacht,
dass deutsche Sicherheitsbehörden, allen voran der Verfassungsschutz,
die Umtriebe der Zwickauer Neonazi-Zelle nicht nur stillschweigend
geduldet, sondern vielleicht sogar unfreiwillig befördert haben. Wie
sonst reimt es sich zusammen, dass der Verfassungsschutz, kurz nach
dem das Terror-Trio im Vorjahr aufgeflogen war, wichtige Akten über
dessen Existenz in den Reißwolf wandern ließ? Und wie ist es zu
erklären, dass fast drei Dutzend V-Leute vom Verfassungsschutz und
vom Militärischen Abschirmdienst im Dunstkreis der Rechts-Terroristen
operierten, dabei aber angeblich nichts Substanzielles zu Tage
förderten? Nur zwei von vielen Fragen, die noch erschöpfend
beantwortet werden müssen.

Den Verfassungsschutz aufzulösen, wie es die Linken fordern, ist
natürlich Unsinn. Die verfassungsfeindlichen Aktivitäten im Falle der
Neonazi-Mörder zeigen ganz im Gegenteil, wie bitter notwendig auch
ein Inlandsgeheimdienst ist. Doch dürfen sich einzelne
Sicherheitsstrukturen nicht verselbständigen und sich jeder Kontrolle
entziehen, wie das offenbar bis zuletzt der Fall war. Eine
grundlegende Reform ist auch im Hinblick auf den Umgang mit V-Leuten
geboten. Wie schon beim vergeblich angestrebten Verbot der NPD waren
staatlich entlohnte Zuträger aus dem braunen Milieu offenbar einmal
mehr Teil des Problems und nicht der Lösung. Ein Personalwechsel an
der Spitze des Bundesverfassungsschutzes kann darauf keine
befriedigende Antwort geben. Geboten ist eine grundlegende Neuordnung
der Sicherheitsbehörden. Und die ist Sache der Politik.

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