Dass die Wehrpflicht in Österreich auf ewige Zeiten
erhalten bleibt, glaubt längst nur noch eine Minderheit im Lande.
Auch hohe Militärs arbeiten intensiv an einem Plan, wie man einen
sanften Übergang schaffen kann – denn an der Wehrpflicht hängen ja
auch Fragen des Dienstrechts für Berufssoldaten, der Ausrüstung, der
Katastrophenhilfe. Auch die Möglichkeit der Einberufung von
Milizsoldaten (die sich bei ihrem Arbeitgeber nicht mehr auf die
„Pflicht“ berufen können) wird noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.
Man hat den Eindruck, dass alle Beteiligten auf Zeit spielen – und
Minister Norbert Darabos scheint zu wissen, dass die Zeit für ihn
wirkt.
Die ÖVP weiß andererseits, dass die Probleme des Umstiegs auf ein
Berufsheer so groß sind, dass man sich dabei besser nicht die Hände
schmutzig macht. Zudem hat die Wehrpflicht – vor allem im
katastrophengeplagten ländlichen Raum – noch viele Anhänger, die die
ÖVP auch nicht verprellen will. Daher scheint die schwarze Linie zu
sein: Wir schauen uns das einmal an, zeigen da und dort auf, wo
Schwierigkeiten sind und spotten gelegentlich, wenn Minister Darabos
ins Stolpern gerät. Möglicherweise wird die Sache ja noch einige Zeit
aufgeschoben. Und die ÖVP steht dann auch noch als besonders
verantwortungsbewusst da, weil sie ja vor übereiltem Handeln gewarnt
hat.
Der Vorschlag von Parteichef Michael Spindelegger, doch bei der
Wehrpflicht ein neues Modell der direkten Demokratie auszuprobieren,
setzt noch eins drauf: Einerseits stellt die ÖVP den Bürgern mehr
demokratische Mitsprache in Aussicht, denn ihr Demokratiepaket
bekommt nun eine Aufmerksamkeit, die es sich sonst kaum verdienen
würde.
Andererseits braucht sich die ÖVP bei dieser Vorgangsweise inhaltlich
auf nichts festzulegen: Wenn das Volk über die Wehrpflicht abstimmen
will, dann muss es sich erst die Mühe machen, ein Volksbegehren zu
unterschreiben. Und in der Diskussion kann sich die Volkspartei mit
Sachargumenten (sicherheitshalber pro und kontra) einbringen – und
schließlich jedes Ergebnis als akzeptabel und (mit entsprechender
Adaptierung) als umsetzbar erklären.
Es ist verständlich, dass der Koalitionspartner SPÖ über diese
Vorgangsweise nicht glücklich ist. In der SPÖ hat es erhebliche Mühe
gekostet, die seit ihrer Gründung auf ein demokratisches Volksheer
ausgerichtete Partei auf eine Kehrtwendung im Sinne _der von der
Kronen Zeitung geführten Kampagne für ein Berufsheer einzuschwören.
Natürlich weiß man in der SPÖ, dass ein Volksbegehren mit
anschließender Volksabstimmung gute Aussichten hat, wenn es mediale
Unterstützung erhält.
Dann würde die SPÖ ihren Willen bekommen – aber für einen hohen
Preis: Sie müsste der ÖVP bei der Umsetzung ihrer Vorstellungen von
direkter Demokratie entgegenkommen. Und sie könnte nicht sicher sein,
dass eine erfolgreiche Kampagne für ein Berufsheer am Ende wirklich
ihr gedankt wird – ein solcher Sieg hätte viele Väter (und die ÖVP
würde sich womöglich als einer dieser Väter zu präsentieren
versuchen).
Daher will sie ein koalitionäres Konzept für die Zukunft des
Bundesheeres, bei dem sie die ÖVP als eine verstockte
Antireformpartei vorführen und am Schluss in ihre Richtung zwingen
könnte. Dem versucht sich die ÖVP mit ihrem Volksabstimmungsvorstoß
zu entziehen.
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Der Standard
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