Wochenlanges Tauziehen um seine Auslieferung,
eineinhalb Jahre Prozess, 93 Verhandlungstage, fünf Jahre Haft: Muss
das sein bei einem 91-Jährigen, der in der Öffentlichkeit nicht aus
dem Bett aufstand oder sich im Rollstuhl schieben ließ? Es muss.
Darum bedeutet John Demjanjuks Freilassung nach dem Urteil ein Schlag
ins Gesicht der Angehörigen der Opfer. Mord verjährt nicht und
Beihilfe dazu auch nicht. Nach Überzeugung des Landgerichts hat
Demjanjuk also Hand angelegt an die Ermordung von 28060 Juden in
Sobibor zwischen März und September 1943, hat er sich schuldig
gemacht wie alle Kommandeure, Aufseher und Helfer, klebt Blut an
seinen Händen. Sobibor war eine Fabrik des Todes, in den Gaskammern
starben bis zu 250000 Menschen. Nachts flackerte der Feuerschein der
Leichenverbrennung kilometerweit. Dieser Mann spaziert nun also in
die Freiheit. Ob er nach seinen zwei Jahren Untersuchungshaft noch
einmal ins Gefängnis muss, ist trotz seines Urteils auf fünf Jahre
offen. Doch wenn auf die Schuld nicht die Strafe folgt, entsteht
keine Gerechtigkeit.
David Costanzo
Pressekontakt:
tz München
Redaktion
Telefon: 089 5306 505
politik@tz-online.de