„Christian Wulff hat mit dem Verlust seiner
Glaubwürdigkeit auch die Unabhängigkeit des Amtes verspielt“,
kritisiert der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE,
Ulrich Maurer. „Wie kein Präsident zuvor ist er auf die Unterstützung
der Kanzlerin und der Regierungsparteien angewiesen. Damit aber ist
eine unabhängige Prüfung der Gesetze – die einzige wirkliche
politische Aufgabe des Bundespräsidenten – nicht mehr gewährleistet.“
Maurer weiter:
„Gerade weil die von Angela Merkel geführten Regierungen immer
wieder Gesetze vorgelegt haben, die entweder vom Bundespräsidenten
oder vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig
zurückgewiesen werden mussten, kann sich das Land einen
Bundespräsidenten von Merkels Gnaden gar nicht leisten. Seine
verfassungsrechtliche Rolle verlangt nach größtmöglicher
Unabhängigkeit. Wer aber so auf die politische Gunst der Kanzlerin
angewiesen ist wie Christian Wulff kann nicht mehr –objektiv,
neutral, mit Distanz als Bundespräsident agieren–, wie er seinen
Anspruch im TV-Interview selbst formuliert hat.
Seine Gefechte mit dem Springer-Verlag, die für ihn finanziell
äußerst vorteilhaften Ungereimtheiten bei seinen Hauskrediten, die
moralische Fragwürdigkeit um die Urlaubs-Freundschaftsdienste, sein
allzu sorgloser Umgang mit dem Grundrecht der Pressefreiheit, sein
eigenartiges Verständnis von Transparenz haben die politische
Vertrauenskrise im Land weiter vertieft und der politischen Kultur
schwer geschadet.
Man mag einen –peinlichen– Präsidenten dennoch im Amt ertragen
können – er wäre nicht der Erste. Doch wenn damit sowohl die
verfassungsrechtliche als auch die politische Rolle des
Staatsoberhaupts entscheidend unterminiert sind, wird nicht nur der
Amtsinhaber, sondern auch das Amt ad absurdum geführt. Begonnen hat
dieser Prozess allerdings schon früher. Wulffs Kleben am
Präsidentenstuhl ist die logische Folge dessen, wie er ins Amt
gekommen ist. Mit beidem stellt Angela Merkel die ganze Konstruktion
des Präsidentenamtes in Frage und wirft ein bezeichnendes Licht auf
die postdemokratischen Verhältnisse in diesem Land. Die
Präsidenten-Krise ist eine Kanzlerinnen-Krise ist eine
Demokratie-Krise.“
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Hendrik Thalheim
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