Siebentausend Juden sollten sich täglich auf dem
„Umschlagplatz“ in Warschau einfinden, um nach Osten abtransportiert
zu werden, in die Vernichtungslager. Warum gerade 7000? Weil so viele
Menschen in die zur Verfügung stehenden Viehwaggons passten, „sie
sollten unbedingt ganz gefüllt werden“, erinnert sich Marcel
Reich-Ranicki. Er sprach im Reichstagsgebäude, wo die Abgeordneten
einst die Hand hoben für Hitlers Ermächtigungsgesetz und den Weg zur
Diktatur frei machten. Doch in seiner Rede ging es nicht um die
moralische oder historische Dimension des Holocaust. Er sprach auch
nicht von den Morden an neun Menschen durch Neonazis – obwohl der
Anlass dafür gegeben war. Reich-Ranicki hielt eine einfache, sehr
persönliche Rede – und deshalb waren seine Worte umso bewegender. Es
sind die Erinnerungen eines Mannes, der für Auschwitz vorgesehen war.
Reich-Ranicki ist 91 Jahre alt. Die letzten Überlebenden des
Holocaust werden bald verstummt sein. Berichte von Zeitzeugen
beeindrucken mehr als Bücher, Vorträge oder Filme. Ihre Erzählungen
hinterlassen Spuren im Gedächtnis der Menschen, vor allem bei
Jugendlichen. Schicksale machen Geschichte nachfühlbar, begreifbar.
Es sind Zeugnisse aus erster Hand. Sie werden uns fehlen im nötigen
Kampf gegen das Vergessen.
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