WAZ: Eine Frage der Wertschätzung. Kommentar von Lars von der Gönna

Schon wieder ist Essen in den Schlagzeilen, aber
kein Lebensmittelskandal – ausnahmsweise. Oder doch ein Skandal? Ein
Land kann seine Bauern nicht ernähren. Verkehrte Welt. War es der
Geiz-ist-geil-Verbraucher? Die enthemmte Globalisierung? Der
Preiskrieg der Discounter? Wenn das so einfach wäre mit der
Schuldzuweisung. Aber wenn es unterbezahlten Bauern dieser Tage
verlockender erscheint, ihre Milch auf Äcker zu sprühen als sie dem
Endverbraucher einzuschenken, ist das eine Botschaft für sich. Sie
sagt vor allem etwas über den Verlust der Wertschätzung. Eine Kuh zu
besitzen, das galt einmal als Wohlstand. Der Milchkrug auf dem
Mittagstisch (Ältere erinnern sich) war ein Zeichen, dass es uns gut
ging. Heute bringen die meisten Deutschen jedem (in Bangladesch
gestrickten) Markenpullover mehr Respekt entgegen als dem, was sie am
Leben erhält: Milch, Butter, Brot, Fleisch. Und was sie noch bedenken
sollten. Noch ist die hier erzeugte Milch eines der Güter, die uns
nicht an den Tropf launischer Weltmärkte liefern. Auch darum sollten
wir ihr einen guten Preis machen.

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