Für Hannelore Kraft hat sich das Experiment einer
Minderheitsregierung gelohnt. Das Volk konnte sich an sie als
Regierungschefin gewöhnen. Kraft ist durchweg beliebt, doppelt so
sehr wie ihr CDU-Herausforderer Röttgen jedenfalls. Nicht einmal ihre
Gegner verhöhnen sie noch als Kraftilanti. Das Regieren mit
wechselnden Mehrheiten war für die Bürger, die es gerne klar haben,
eine neue Erfahrung, aber nicht unbedingt eine abschreckende. Mal,
wie beim Schulkonsens, holte Kraft sich die Zustimmung der CDU, dann,
wie bei den Gemeindefinanzen, bei der FDP und auch, wie bei den
Studiengebühren, bei der Linkspartei. So konnte es kommen, dass eine
strukturell derart instabile Regierung, in der auch auffällig
schwache Minister saßen, es auf immerhin zwei Jahre brachte. Ob nun
eigene Stärke oder die Schwäche der Opposition Rot-Grün bis gestern
im Amt hielt, wer will das beurteilen. Jedenfalls wollten sowohl
Union als auch, viel stärker noch, die Liberalen, Neuwahlen
verhindern. Deshalb ja die Taktiererei um den Landeshaushalt. Dabei
hat sich die FDP gründlich verzockt. Ob Spitzenmann Bahr,
sympathisch, aber bisher weit weg von Nordrhein-Westfalen, ihr Ende
verhindern kann, ist fraglich. Deshalb hat auch die CDU keinen Grund
zur Freude. Ihr bleibt realistisch nur eine Macht-Option: Die
Koalition mit der SPD, in die sie sich am liebsten schon vor einem
Jahr geflüchtet hätte. Das gestern ausgegebene Wahlziel, stärker als
die SPD zu werden, könnte ihr wenig nutzen, wenn es nämlich für
Rot-Grün reicht. Und danach sehen die Umfragen aus. Einzig der
Zeitpunkt der Wahl hilft, allerdings nicht der CDU, sondern Röttgen
persönlich: Er muss zwar für den Landtag kandidieren, kann aber sein
Bundestagsmandat behalten und bis zur Wahl Umweltminister bleiben.
Wenn er will, auch danach. Schaden wird er nur nehmen, wenn er ein
schlechtes Ergebnis einfährt. Zu den Verlierern zählt die Linke. Sie
musste sich von SPD und Grünen Sektiererei bescheinigen lassen und
bangt nun um den Wiedereinzug in den Landtag. Mag sein, dass die
Piratenpartei davon profitiert. Es sollte aber auch klar sein, dass
Rot-rot-grün nicht in Frage kommt. Fazit: Kraft profitiert, wie schön
absurd, von ihrem Ende, dito die Grünen. FDP und Linkspartei als
Verlierer, die Piraten Gewinner. So kann es kommen. Falls er
mitmacht, der Wähler, der Unberechenbare.
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