WAZ: Krafts Kunst des Sparens. Kommentar von Theo Schumacher

Die spendablen Jahre sind vorbei. 2010 zog Hannelore
Kraft mit der großzügigen Ansage in die Staatskanzlei, eine Milliarde
Euro mehr für Kinder, Kommunen und Bildung auszugeben. Jetzt muss
sich Rot-Grün zur Auflage machen, den Haushalt um die gleiche Summe
zu entlasten. Die Schuldenbremse lässt ihnen keine Wahl. Das
Koalitionspapier, immerhin fast 200 Seiten dick, beschreibt die Wege
zu diesem Sparziel nur vage. SPD und Grüne werden ihre kostspielige
Politik der Vorsorge mit kräftigen Kürzungen auf einen Nenner bringen
müssen, wenn gleichzeitig Steuerquellen weniger ergiebig sprudeln.
Das ist die Kunst. Und man wird Kraft daran messen, ob ihr der
Rollentausch von der „Schuldenkönigin“ zur Sparkommissarin im eigenen
Haus gelingt. Ein Koalitionsvertrag ist keine Bibel, sondern eine
Regieanweisung. Politik muss flexibel bleiben, nur dann kann sie
kreativ sein. Fukushima hat gezeigt, wie alles über Nacht auf den
Kopf gestellt wird und nach neuen Antworten verlangt. Für Krafts
Koalition, die sich auf eine stabile Mehrheit im Landtag stützen
kann, bedeutet ihr neues Dasein aber auch: die Pendel-Diplomatie der
Minderheitsregierung ist passé. Für Notlösungen und brüchige
Kompromisse ist kein Platz mehr. Wer die ganze Macht hat, hat auch
die ganze Verantwortung. Das muss sich auch beim Personal zeigen.
Anders als vor zwei Jahren brauchen risikoscheue Kandidaten ein
vorzeitiges Ende der Koalition nicht zu fürchten. Kraft kann aus dem
Vollen schöpfen. Bei aller Rücksicht auf Postenansprüche aus den
SPD-Regionen: Was allein zählen darf, ist mehr Qualität im Kabinett.
Da ist, sagen wir es salopp, noch Luft nach oben. Nordrhein-Westfalen
steht vor großen Aufgaben. Genannt seien die Schuldenbremse, die
Energiewende oder der Kapazitätsausbau an den Unis. Nur drei
Beispiele. Anspruch muss sein, das Land bis 2020 voranzubringen. Mit
Verlegenheitsministern ist das nicht zu machen.

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