WAZ: Noch ein Geschmäckle mehr. Kommentar von Thomas Wels

Man könnte es sich einfach machen: jegliche
Nebentätigkeit von Abgeordneten als korruptionsgefährdete Zone abtun
und einem Verbot das Wort reden. Peer Steinbrück hätte in einem
solchen Deutschland weniger Probleme, das Land dafür mehr. Erstens
ist die Fachkenntnis von Selbstständigen im Bundestag zu wertvoll, um
sie dem Status eines hauptamtlichen Abgeordneten zu opfern; zweitens
macht es Abgeordnete auch nicht dümmer, wenn sie in Aufsichtsräten
hautnah mit Problemen der Wirtschaft konfrontiert sind. Was aber
bleibt, ist der programmierte Interessenkonflikt. Für jeden
Abgeordneten steht die Ausübung seines Mandats im Mittelpunkt, so
steht es im Gesetz. Damit sollte klar sein, dass ein Abgeordneter
Steinbrück in erster Linie dem Volkswohl verpflichtet ist, selbst
wenn er als Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp auch dem Unternehmenswohl
verpflichtet ist. Beides muss kein Gegensatz sein, deshalb muss man
schon genau hinschauen. Und da wird–s dann doch wieder schwierig für
den Problem-Kandidaten der SPD. Der Rat zum Verschweigen des
Schienenkartells – den hätte sich der Abgeordnete Steinbrück im
Aufsichtsrat besser verkniffen. Schließlich ist die öffentliche Hand
durch illegale Preisabsprachen unter Beteiligung von Thyssen-Krupp
geschädigt worden. Mithin steht die Unabhängigkeit des Fachmannes
Steinbrück infrage. Es bleibt ein Geschmäckle. Wieder mal. Wie viele
Geschmäckle machen eigentlich aus dem Beigeschmack des Unkorrekten
einen Geschmack?

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