Weser-Kurier: Der „Weser-Kurier“ schreibt in seiner Ausgabe vom 21. Juni 2012 zum Thema Asylpolitik:

Wie geht Deutschland mit Flüchtlingen um, die hier
Schutz suchen? Die Antwort auf diese Frage kann regelmäßig einem die
Schamesröte ins Gesicht treiben. Wenn jetzt das
Bundesverfassungsgericht verhandelt, ob die 220 Euro, die
Asylsuchende im Monat erhalten, eine menschenwürdige Existenz
sichern, dann wirft das ein Schlaglicht auf ein in vieler Hinsicht
menschenunwürdiges System. Asylsuchende werden in Deutschland in
Abschiebehaft genommen, in Wohnheimen oft fernab der Städte
interniert und dürfen sich nicht frei bewegen. Die Residenzpflicht
verbietet ihnen, den zugewiesenen Landkreis zu verlassen. Sie
erhalten keine Arbeitserlaubnis und werden gezielt in Parallelwelten
festgehalten. Es wird ihnen unmöglich gemacht, sich zu integrieren.
Sie sollen am besten gar nicht erst in Kontakt mit der Gesellschaft
kommen – weil es sonst nur umso schwerer wird, sie wieder
abzuschieben. So funktioniert die politische Logik, die
dahintersteckt. Das führt zu einem zynischen System, das sich auch im
Monatssatz niederschlägt. 220 Euro – ein aus der Zeit gefallener
Satz, der vor allem eines demonstriert: Flüchtlinge sind hier nicht
erwünscht und werden auch so behandelt. In Niedersachsen ist das
Vorgehen noch unwürdiger. Während Bundesländer wie Hamburg, Sachsen
oder Schleswig-Holstein das wenige Geld inzwischen immerhin bar
auszahlen, wehrt sich Niedersachsen strikt dagegen. Asylsuchende
bekommen das Geld also weiter in Form von Gutscheinen, die sie nur in
bestimmten Läden einlösen können. Immer wieder haben verschiedene
Kommunen wie Göttingen, Oldenburg oder Aurich beantragt, das Geld bar
auszuzahlen – und bissen damit beim niedersächsischen
Innenministerium auf Granit. So bleibt ein demütigendes und
entmündigendes System erhalten: Menschen, die Asyl beantragt haben
oder seit Jahren hier als Geduldete leben, bekommen in Niedersachsen
nicht nur 40 Prozent weniger Leistungen als ein Hartz-IV-Empfänger.
Sie können mit den Gutscheinen, die sie erhalten, darüber hinaus
weder einen Anwalt bezahlen noch eine Telefonzelle benutzen.

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