Es ist so eine Sache mit Zeugen. Im NSU-Prozess ist
es die Regel, nicht die Ausnahme, dass sie sich kaum noch erinnern,
weil der Mord, das Gespräch, die Situation, nach der der Richter
fragt, Jahre her ist. Dann wird das Protokoll ihrer polizeilichen
Vernehmung vorgelesen. Die meisten Zeugen nicken es nur noch ab. Das
gilt dann als Wahrheit. Gut ist das nicht. In Vernehmungsprotokollen
wird das Gesagte von Polizisten nicht wörtlich, sondern nur sinngemäß
protokolliert. Aber nicht alles, was ein Polizist für irrelevant
hält, muss wirklich irrelevant sein. Wenn ein Polizist einen
Beschuldigten suggestiv befragt oder hart angeht, wird er das so
deutlich nicht niederschreiben. Aber ob eine Aussage in den Mund
gelegt wurde, sie unter Druck oder freimütig entsteht, ist ein
Unterschied. Ohne Polizisten generell unlautere Vernehmungsmethoden
unterstellen zu wollen – schon das Wissen, dass das Gespräch gefilmt
wird, wird dazu führen, dass es ordnungsgemäß abläuft. Wenn unsere
Gesellschaft es mit der Wahrheitsfindung ernst meint, sollte sie der
Forderung der Strafverteidiger nachkommen und das
Ermittlungsverfahren durch die Aufzeichnung von Vernehmungen
transparenter machen.
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