Personalquerelen, Geldprobleme, Missgunst,
Drohungen – die Piraten zelebrieren derzeit die Selbstdemontage. Der
Höhenflug der jungen Partei ist gestoppt. Die Landtagswahlen in
Niedersachsen wurden vergeigt, nach neuesten Umfragen kämen die
Piraten bundesweit nur noch auf zwei Prozent. Jetzt sollen die
Mitglieder entscheiden, ob auf dem Parteitag im Mai ein neuer
Bundesvorstand gewählt werden soll. Das Votum wird heute bekannt
gegeben. Eigentlich bleibt den Piraten gar nichts anderes übrig als
ein Neustart. Der bisherige Bundesvorstand ist angesichts seiner
Dauerfehden quasi handlungsunfähig. Manche Oberpiraten pflegen eben
lieber das eigene Ego als das Image der Partei. Inhaltlich ist man in
den vergangenen Monaten kaum vorangekommen. Jeder sagt zu allem
etwas, die Truppe hat keine Köpfe für ihre Themen. Bei aller
Sympathie für basisdemokratische Prozesse: Es kann doch nicht
angehen, dass einer Partei, die in den Bundestag einziehen will,
außer ein paar Gemeinplätzen nichts zur kriselnden EU einfällt. Auch
ihre strukturellen Probleme kriegen die Piraten nicht in den Griff.
Auf Teufel komm raus will man anders sein als die anderen – was ja
durchaus sympathisch ist. Aber sich deshalb jeder Professionalität zu
verweigern, ist naiv. So fehlt immer noch ein Parteiapparat.
Spitzenpirat sein heißt heute, sich im Ehrenamt selber auszubeuten.
So ist die Liste derer lang, die ausgebrannt hingeschmissen haben,
unter ihnen die ehemalige Geschäftsführerin Marina Weisband oder
Berlins früherer Landeschef Gerhard Anger. Und nun werden, wie im
Falle des baden-württembergischen Landeschefs Lars Pallasch, auch
noch die eigenen Leute weggemobbt. Nur mit fähigem Personal könnten
die Piraten bis zur Bundestagswahl noch die Kurve kriegen. Parteichef
Bernd Schlömer setzt auf ein Kompetenzteam. Doch Teile der Basis
reagieren auf solche Pläne komplett allergisch – sie wollen vielmehr
„Themen statt Köpfe“. Dabei hätte eine Partei, die sich sachlich und
kompetent mit den Herausforderungen des digitalen Wandels
beschäftigt, nach wie vor eine Existenzberichtigung in der
politischen Landschaft. Dafür gab es am Freitag in Bundestag und
Bundesrat ein schönes Beispiel: Beim Gesetz zum Leistungsschutzrecht
für Verlage im Internet ist – trotz monatelanger Debatte – am Ende
ein ziemlicher Murks herausgekommen.
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