Landwirtschaftliche Familienbetriebe von
überschaubarer Größe, auf denen der Bauer noch jede Kuh persönlich
kennt. Hühner und Schweine sind glücklich. Obst, Getreide und Gemüse
gedeihen dank Sonne, Wind und Regen – nicht infolge üppigen
Chemie-Einsatzes. So hätten wir die Landwirtschaft gern. Was wir
haben, ist etwas vollständig anderes. Riesige landwirtschaftliche
Einheiten, auf denen agrarindustriell für den Export produziert wird,
Mastunternehmen, die für die Gülleentsorgung unvorstellbare Flächen
aus der Nahrungsmittelproduktion herausnehmen, unübersehbare
Maisfelder für den Betrieb von Biogasanlagen, deren Flächenhunger
immer größer wird. All dies drückt sich auch in den Bodenrichtwerten
aus, die eine Explosion der Preise für landwirtschaftliche
Nutzflächen dokumentieren. Die Fläche ist – völlig losgelöst von
ihrer Nutzung – dabei, zu einem Wert an sich zu werden, auch eine
Option für alle, die besorgt nach Griechenland schauen und sich auf
der Suche nach stabilen Anlagen beispielsweise ein paar Hektar
Cloppenburg zulegen. Einfach liegen lassen, die könnten in zwei bis
drei Jahren fast das Doppelte wert sein. Vor diesem Hintergrund ist
fast nicht zu begreifen, mit welcher Leichtigkeit in Niedersachsen
die landwirtschaftspolitische Wende verkündet wird. Wo sollen sie
herkommen, die Massen von Klein- und Ökoanbauern? Sie würden doch
gegen jede wirtschaftliche Vernunft handeln, wenn sie Tomaten
anpflanzten, mit denen sie gegen die Massenproduzenten ohnehin nicht
konkurrenzfähig sind, statt ihre Flächen für gutes Geld an den
nächstbesten Biogashersteller zu verpachten. Zudem: Die bestehenden
Strukturen sind gewollt. Agrarwirtschaft ist ein entscheidendes
Standbein Niedersachsens, das über die Jahre zum Agrarland Nummer
eins in Deutschland geworden ist. Daran haben viele mitgebaut:
Berlin, Brüssel, Banken, mächtige in- und ausländische Bauern- und
andere Interessenverbände. Und jetzt also die Wende? Kaum! Da wackelt
der Schwanz mit dem Dackel. Vielleicht ist die eine oder andere
punktuelle Kurskorrektur möglich. Alles Weitere wäre eine nationale,
wenn nicht europäische Aufgabe – zu groß für eine Landesregierung mit
Einstimmen-Mehrheit in Hannover.
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