Westdeutsche Zeitung: Ein energiepolitischer Scherbenhaufen =
Von Wolfgang Radau

Nachgeholte Informationen haben in diesen
Wochen Hochkonjunktur im politischen Berlin. Da wurde erst die
Wehrpflicht abgeschafft und dann eine Werbekampagne in Auftrag
gegeben, um Freiwillige zu rekrutieren. Nun soll eine
Informations-Offensive den Autofahrern den Biosprit E10 schmackhaft
machen, jetzt, wo er auf breites Misstrauen gestoßen ist.
Strategisches Denken geht anders. Was dem Bürger so alles unter dem
Stichwort Umwelt zugemutet wird, geht auf keine Kuhhaut. Solarstrom –
eine teure Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die einschlägige
Industrie, Umweltentlastung nicht messbar. Einwegpfand auf
Getränkebehälter – allenfalls weniger Arbeit für die Müllabfuhr,
ökologisch aber ein Schuss in den Ofen. Energiesparlampe statt
Glühbirne – in vielen Haushalten reichen die Vorräte an guten, alten
Leuchtmitteln noch Jahre. Man glaubt den Energie-Propheten nicht.
Wenn–s dem Verbraucher aber zu bunt wird, dann sagt er konsequent
Nein. Die Schweinegrippen-Hysterie 2009: der Bürger behielt kühlen
Kopf, der Staat blieb auf Abermillionen Impfdosen sitzen. Und jetzt:
Biosprit. Hier geht es um des Deutschen liebstes Kind, das Auto.
Niemand will sich festlegen, dass der ethanol-versetzte Treibstoff
Motoren und Leitungen unbeschadet lässt. Fest steht aber der
Mehrverbrauch. Und die Mutmaßung, dass sinkendem CO2-Ausstoß im
gleichen Maße steigende Treibhausgas-Produktion beim Ackerbau
entgegensteht. Konsequenz: Verweigerung. Regierung,
Mineralölindustrie und Autobauer – alle stehen jetzt vor einem
Scherbenhaufen. Die Politik, weil sie es nicht verstanden hat, um
Vertrauen für ihre so genannte Biokraftstoffquotierung zu werben. Die
Tankstellen-Konzerne, weil sie keinen Weg gesucht haben, dem
Autofahrer klar zu machen, was sein Gefährt verträgt und was nicht.
Die Hersteller schließlich, weil sie nicht nachdrücklich genug nach
alltagstauglichen Alternativen für den Verbrennungsmotor suchen. Die
Verlockung, die Bauchlandung beim Öko-Sprit in Zeiten permanenten
Wahlkampfes dem jeweiligen politischen Gegner anzulasten, ist
natürlich groß. Nur sollte man sich erinnern: Die rechtliche
Grundlage für die missglückte Einführung von E10 hat auch die heutige
Opposition mit beschlossen.

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