Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Diätenerhöhungen der NRW-Landtagsabgeordneten

Die NRW-Landtagsabgeordneten waren bei der
Diätenreform im März 2005 dazu bereit, auf 1000 Euro Altersversorgung
pro Monat zu verzichten. Tatsächlich hat die Reform aber ein Minus
von 1300 Euro gebracht. Mit dieser schlichten Beobachtung lässt sich
erklären, warum die Mehrheit im Landesparlament gestern für die
umstrittene Erhöhung ihrer Beiträge zum Versorgungswerk des Landtags
um 500 Euro gestimmt hat. Im einzelnen durchaus nachvollziehbar, in
der Gesamtheit aber katastrophal. Das Musterbeispiel steht für einen
Volksvertreter, der mit 49 Jahren zehn Jahre Berufspolitiker wird.
Und weil jeder Fall fast anders gelagert ist, gab es in den
turbulenten Debatten reichlich Gegenbeispiele. Oft ließ sich damit
der Eindruck hemmungsloser Selbstbedienung befeuern. Auch gab es
Belege für die vermeintliche Basisferne der Abgeordneten oder einfach
nur Krach im eigenen Wahlkreis. Die NRW-Diätenfrage wurde für
Steuerzahler, insbesondere aber für Kleinrentner zur
Generalabrechnung mit der Politik. Abgeordneter zu sein heißt auch,
sich zum Watschenmann für alles Mögliche machen zu lassen. 2005
verordneten sich die damaligen Abgeordneten einen selten radikalen
Verzicht. Das völlig neue Diätenrecht schnitt so tief in damals
extrem hohe Besitzstände ein, dass kein anderes Landesparlament den
vom Steuerzahlerbund gefeierten Schritt seitdem nachvollzogen hat.
Das Lob damals war berechtigt, aber nicht geeignet, sich darauf
auszuruhen. Schon gar nicht war die in der Politik ohnehin äußerst
seltene öffentliche Zustimmung soweit belastbar, dass sechs Jahre
später eine Nachjustierung ohne Schaden möglich gewesen wäre. Wie das
Eingangsbeispiel zeigt, war der Einschnitt tiefer geraten, als
ursprünglich geplant. So etwas gilt nicht mehr in einer von
Politikverdrossenheit und Wutbürgertum bestimmten öffentlichen
Wahrnehmung. Die Landtagsabgeordneten hätten das eigentlich wissen
müssen. Längst gilt: Wer an den Diäten rührt, bekommt Dickes. Man
hätte gestern gut daran getan, den Fehler von damals auf sich beruhen
zu lassen. Denn das Kitten wird Jahre dauern. Außerdem: Die Neid- und
Mitleidstour der Linkspartei gewann ungebührlich hohe Aufmerksamkeit.
Viele Landtagsabgeordnete hatten gestern die Faust in der Tasche,
acht CDU-Parlamentarier sagten offen Nein, einige suchten das Weite.
Auch dies ein Zeichen dafür, dass die Politik kein Zuckerschlecken
ist. Jawohl, Politiker müssen anständig bezahlt werden, auch wenn das
zu fordern unpopulär ist. In Ruhe betrachtet ist das Jahreseinkommen
der Bundeskanzlerin mit gut 190 000 Euro entschieden zu niedrig.
Viele ihrer Verhandlungspartner außerhalb der Politik rangieren weit
höher. Die Vorgabe ist nur insofern gut, als sich alle nachgeordneten
Stellen darunter fügen müssen.

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