Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Griechenland sitzt in der Schuldenfalle – und
wir EU-Bürger gleich mit. Seit einem Jahr ist der gut 100 Milliarden
Euro schwere Rettungsschirm über dem sonnigen Mittelmeerland
gespannt. Doch von Rettung keine Spur. Im Gegenteil. Die
Griechenlandkrise spitzt sich zu. Sie rüttelt an den Grundfesten des
europäischen Finanzsystems, schürt die Wut der Griechen auf ihre
Regierung und sorgt für Unmut an den deutschen Stammtischen. Das
Hauptproblem ist: Griechenland hat abgesehen vom Tourismus keinen
nennenswerten Wirtschaftszweig, der dazu beitragen könnte, die
Schuldenlast von mittlerweile 330 Milliarden Euro jemals tilgen zu
können. Viele meinen daher, das EU-Land solle die Drachme wieder
einführen. Dann könnten die Griechen ihre Währung kräftig abwerten,
ihre Waren preiswerter ins Ausland verkaufen und so ihre
Binnenwirtschaft ankurbeln. Warum also soll der deutsche Steuerzahler
für die MIsswirtschaft der Griechen aufkommen? Doch so einfach ist es
nicht. Tatsächlich wären die Folgen eines griechischen Euro-Ausstiegs
fatal. Sobald der Staat bekannt gäbe, die Drachme wieder einzuführen,
würden die Griechen ihre Konten plündern. Das griechische
Bankensystem bräche zusammen – und müsste mit EU-Hilfe gestützt
werden. Aber auch ausländische Banken, darunter deutsche, müssten auf
Gelder in Milliardenhöhe verzichten. Allerdings: Sie haben hoch
gepokert, und wer das tut, muss auch mit Verlusten rechnen. Mitgefühl
wäre fehl am Platz. Und doch besteht die Gefahr, dass auch deutsche
Banken in Existenznöte gerieten und – wieder einmal – mit
Steuergeldern gestützt werden müssten. Das alles ist Theorie,
Spekulation und zeigt doch, wie schwierig der Fall Griechenland ist.
Das gilt auch für die EU-Politik. Zwar ist Griechenland
wirtschaftlich gesehen nur so stark wie Niedersachsen. Aber ein
Schuldenerlass Griechenlands und/oder die Rückkehr des Staates zur
Drachme könnte den Druck der Finanzmärkte auf weitere Länder wie
Portugal, Spanien und Irland erhöhen. Das Vertrauen in die EU und
ihre Gemeinschaftswährung nähme Schaden. Die Idee von der durch den
Euro geeinten Wirtschaftsmacht Europa, die sich gegen China und die
USA behaupten will, droht wie eine Seifenblase zu platzen. Die
europäische Politik steckt in einem Dilemma. Sie hat die Wahl
zwischen Pest und Cholera. Entweder erlaubt sie Griechenland die
Rückkehr zur Drachme mit den beschriebenen Folgen, oder die EU
erlässt dem Staat einen Großteil der Schulden und zieht sich damit
weiteren Zorn der Steuerzahler zu. Klar ist nur: So wie bisher kann
es nicht weitergehen. Die Hilfe für Griechenland wird noch noch viele
weitere Milliarden verschlingen – so oder so. Das ist der Preis, den
die EU und ihre Bürger dafür zahlen müssen, dass Griechenland
jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat. Und dafür, dass die EU
dem griechischen Desaster jahrelang tatenlos zugesehen hat.

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