Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg

Das ist weit mehr als ein Sturm im Wasserglas.
Sollten sich die massiven Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu
Guttenberg bestätigen, steht nicht weniger als seine Glaubwürdigkeit
auf dem Spiel. Nicht nur die als Politiker, sondern auch die als
Mensch, denn wie bitteschön sollte man das eine vom anderen trennen?
Noch muss für Dr. zu Guttenberg die Unschuldsvermutung gelten – auch
wenn es schwerfallen mag, weil der Verdacht, geistiges Eigentum
gestohlen zu haben, gleich von mehreren verschiedenen Stellen
geäußert wurde. Auch sind die inkriminierten Textstellen allesamt
sehr signifikant. Was daraus für die politische Karriere folgt, muss
der Verteidigungsminister zuerst für sich selbst entscheiden. Noch
hat er Gelegenheit dazu. In einer ersten Stellungnahme hat sich zu
Guttenberg keiner Schuld bewusst gezeigt. Im Gegenteil: Er hat die
Vorwürfe als »abstrus« bezeichnet. Das ist sein gutes Recht, wird
aber seine Lage verschärfen, wenn sich der Verdacht bestätigt. Auch
kann zu Guttenberg in keiner Weise auf mildernde Umstände hoffen,
weil er selbst zuletzt in Personalfragen nicht vor schnellen und für
einen Generalinspekteur und einen Schiffskapitän einschneidenden
Maßnahmen zurückgeschreckt ist. Zudem ist der CSU-Politiker selten
verlegen, Aufrichtigkeit und Anstand einzufordern. Umso mehr hat er
nun guten Grund, quasi eine Personalentscheidung in eigener Sache zu
treffen. Eine mögliche Aberkennung seines Doktortitels ist hingegen
das geringste Problem. Ohnehin tragen mittlerweile so viele Politiker
einen Ehrendoktortitel, dass man oft nicht so ganz genau weiß, wie
ernst der akademische Grad im Einzelfall zu nehmen ist. Überdies ist
der »Dr.« für die Qualifikation eines Politikers ganz sicher von
nachgeordneter Bedeutung. Dem Volk reichte schon gutes Regieren, ob
nun mit oder ohne »summa cum laude«. Darauf aber wird sich zu
Guttenberg in den nächsten Tagen nicht allein berufen können. Nach
den Gesetzmäßigkeiten des politischen Betriebes könnte die Frage
schon bald lauten: Kann der Verteidigungsminister weiter Karl-Theodor
zu Guttenberg heißen? Für diesen Fall würde ohne Zweifel sein
politisches Umfeld, würde auch Kanzlerin Angela Merkel eine Abwägung
zu treffen haben, ob der Minister weiter zu stützen ist oder ob der
daraus möglicherweise zu erwartende Schaden für Union und
Bundesregierung zu groß werden könnte. Viel hängt in diesem Spiel
auch davon ab, was der politische Gegner tut – kurz: Kommt es zur
Treibjagd oder zum Stillhalteabkommen? Sogleich hob gestern das
bekannte Schauspiel von Empörung und Gegenempörung an. Es wird sich
noch verschärfen, so viel steht fest. Nicht nur viele
Oppositionspolitiker würden zu Guttenberg gerne fallen sehen. Das
aber ist momentan gar nicht die entscheidende Frage. Die
entscheidende Frage ist, wie zu Guttenberg sich und sein Verhalten
selbst sieht.

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