Das Wort Vertrag kommt von vertragen. Ob sich
Grüne und SPD in Baden-Württemberg so gut vertragen werden, wie es
derzeit den Anschein hat, steht trotz der besiegelten Ehe in den
Sternen. Es droht Ungemach. Denn nach dem Koalitionsvertrag ist vor
der Volksabstimmung – somit ist der erste Ärger bereits programmiert.
Auch wenn der allererste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann
und sein neuer Superminister Nils Schmid (SPD) angesichts ihres
88-seitigen Koalitionsvertrages gestern strahlten – es ist nicht
auszuschließen, dass den beiden das Lachen schneller vergehen wird,
als ihnen recht ist. Denn der erste richtige Prüfstein lässt nicht
lange auf sich warten. Spätestens wenn im Oktober die Volksabstimmung
zum umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 über die Bühne gehen
soll, könnte die neue grün-rote Liebe im Ländle schnell ein Ende
haben. Die Volksabstimmung – wie auch immer sie ausgehen mag – wird
nichts daran ändern, dass beide Regierungsparteien beim Thema
Stuttgart 21 völlig unterschiedlicher Meinung sind: Die SPD ist für,
die Grünen sind gegen den Bahnhof. Ihnen droht darüber hinaus sogar
noch ein Horrorszenario: Sollte sich die Volksabstimmung für den
Bahnhof entscheiden, wäre Winfried Kretschmann nicht mehr nur der
erste grüne Ministerpräsident – er wäre auch derjenige, unter dessen
Regie dieses Milliardenprojekt gebaut werden würde. Ärger gibt es
bereits jetzt genug um Stuttgart 21. Die Deutsche Bahn beharrt nach
wie vor auf dem Weiterbau. Zwar hat sie als Zeichen ihres guten
Willens einen Bau- und Vergabestopp bis zur Konstituierung der
Landesregierung beschlossen. Die Ankündigung von Grün-Rot, bis
Oktober eine Volksabstimmung abhalten zu wollen, ist im Vertrag aber
offenbar nicht vorgesehen. Somit wird sich die Landesregierung die
Kosten des Baustopps wohl ans Bein binden müssen. Die Rede ist von
immerhin 200 Millionen Euro. Auf ziemlich dünnem Eis bewegt sich
Kretschmann auch, wenn er davon spricht, dass weniger Autos in
Baden-Württemberg besser sind als mehr. Was dazu die Autohersteller
im Ländle wohl sagen… Im Koalitionsvertrag ist ein Schuldenabbau
vereinbart. Das ist grundsätzlich gut. Aber wer weiß, dass
Baden-Württemberg mit Sachsen und Bayern zu den Bundesländern mit der
niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung zählt, stellt schnell eine
Mogelpackung fest. Die Grünen setzen sich ein Ziel, das sie bereits
bei Amtsantritt erreicht haben. Und sie suggerieren, dass
Baden-Württemberg finanziell am Abgrund steht, obwohl das Gegenteil
der Fall ist. Es ist zwar noch zu früh, um von einem misslungenen
Start dieser neuen Regierung zu sprechen. Aber spätestens im Oktober
wartet auf Grün-Rot der erste Stolperstein – ob Stuttgart 21 sogar zu
einem Grabstein dieser Regierung wird, wissen wir im Herbst.
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Andreas Kolesch
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