Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zur Attacke auf einen Werder-Bremen-Fan in Bielefeld:

Wer macht sowas und wie ticken die? An diesen
Fragen haben sich schon alle möglichen Fachleute abgearbeitet. Die
üblichen Erklärungsversuche zielen in bekannte Richtungen, das ist
alles schon tausendfach durchgenommen worden, ohne an der anhaltenden
Fassungslosigkeit etwas zu ändern. Sicher gibt es ihn, den falschen
Zeitpunkt und den falschen Ort. Die brutale Attacke von Bielefeld
lief anders. Sie war vorbereitet. Der anzunehmende Laufweg der
Zielpersonen nach einem nicht weiter bedeutenden Fußballspiel: vom
Stadion zum Hauptbahnhof. Mitgeführte Utensilien: die von
Werder-Fans. Mehr musste an einem helllichten Tag nicht
zusammenkommen, um geradewegs einem sekundenschnellen Angriff
ausgeliefert zu sein, der sein Hauptopfer lebensbedrohlich verletzt
zurücklässt. Den Vertretern eines verständnisvollen Ansatzes mag
immer noch ein Grund einfallen, das Geschehene abzumildern. Aber den
meisten ist es völlig unmöglich, sich vor solche Schläger zu stellen,
weil die vielleicht Pech hatten mit dem Elternhaus, von ihren
Mitmenschen mies behandelt wurden oder sonstige Toleranzen geltend
machen könnten. Es geht auch nicht um ein Handgemenge, Bengalos,
Rauchbomben oder weiteres Zubehör des total aufgeheizten
Fußball-Alltags. Es geht um ein Gewaltverbrechen. Da ist Schluss mit
lustig. Das muss und wird harte Strafen nach sich ziehen. So schnell
wird der Schock darüber auch nicht weichen, weil er auch die Hoffnung
friedfertiger Schal-, Mützen- und Trikotträger beeinträchtigt. Sie
basiert wie in anderen Situationen auch auf der grundguten Annahme,
dass schon nichts passiert, wenn man sich selbst vernünftig verhält,
fernab jeden Zoffs und möglicher Problemzonen bleibt. Die große
Gefahr lauert aber auf der Straße. Da könnten sich die Verbannten
tummeln, die mit einem Stadionverbot belegt sind, nur darauf aus, die
schlichte Lust am Zuhauen schon irgendwo auszuleben. So entziehen sie
sich jeder Kontrolle. Wie hätte denn verhindert werden können, dass
eine Kölner Hooligan-Horde einen Bus voller Gladbach-Fans auf der
Autobahn bedrängt und die Insassen in panische Angst versetzt? Solche
Übergriffe kennen keine Grenzen. Die können sich überall abspielen.
Und Halt gemacht wird vor gar nichts mehr. Das nächtliche Auflauern
von Profis vor deren Haustür gehört mittlerweile auch zum Programm.
Dagegen sind Sitzblockaden, abgefackelte Fahnen oder eingerissene
Zäune wie Kindergeburtstag. Krawall auf Verabredung, über Handy und
Laptop, ist nicht zu stoppen und es handelt sich beinahe um einen
Glücksfall, wenn die Chaoten ihr Handeln berechenbar planen. Beim
Erstligaabschied des 1. FC Köln stellte sich die gut vorbereitete
Polizei den Extremisten in einer regelrechten Schlachtordnung
entgegen, als die aus den schwarzen Tiefen der eingeräucherten
Tribüne den Platz stürmen wollten. Ein glimpfliches Ende. Eine
Garantie darauf? Die wird niemand geben.

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Andreas Kolesch
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