Neue Westfälische (Bielefeld): Verdächtige wegen zu langer Verfahren freigelassen Das erschüttert unser Vertrauen Martin Fröhlich

Genau 737.873 – das ist die Zahl der Menschen,
die im Jahr 2016 in Deutschland von einem Gericht wegen einer
Straftat oder eines Vergehens verurteilt wurden. Da wirkt die Zahl
von 41 Tatverdächtigen, die wegen zu langer Strafverfahren aus der
U-Haft entlassen werden mussten, mickrig. Selbst die 2017 erhöhte
Zahl von 51 Fällen verblasst in der Gesamtdimension. Darf sie aber
nicht! Es mag sein, dass in allen 51 Fällen plausible Gründe zu
Verzögerungen geführt haben. Zu viele Daten, zu wenig Personal in den
Staatsanwaltschaften, aufwendige Ermittlungen. Da wir ja alle nur
Menschen sind, na, Sie wissen schon. Doch das Signal, das von den 51
freigelassenen Verdächtigen ausgeht, ist fatal. Es besagt nicht
weniger, als dass der Rechtsstaat seiner Pflicht nicht nachgekommen
ist. Noch dazu aus formellen Gründen. Was aus Sicht der Verdächtigen
gerade der Rechtsstaatlichkeit entspricht – das Einhalten von
Vorschriften seitens der Behörden -, erzeugt für die Allgemeinheit
einen gegenteiligen Eindruck. Immer wieder gibt es die Kritik, dass
unser Rechtssystem die Perspektive der Täter einnimmt, doch selten
die der Opfer. Deshalb müssen die zur Verfügung stehenden Instrumente
konsequent angewendet werden. Sonst wird das Vertrauen der Menschen
in das Rechtssystem erschüttert. Sollte sich am Ende erweisen, dass
wegen ausufernder digitaler Beweise die Fristen für eine U-Haft nicht
einzuhalten sind, dann muss über eine Lösung des Problems diskutiert
werden. Einfach hinnehmen dürfen wir es nicht. Auch wenn es nur 51
Fälle sind.

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