Deutsche Umwelthilfe kritisiert Koalition für ihr
Fahren auf Sicht und mangelndes Langfristdenken zu Lasten von Umwelt
und Klima – Wohlstand hängt von Klimaschutz, sauberer Luft und
sauberem Wasser, Biodiversitätserhalt und nachhaltiger Entwicklung ab
– Kabinett verteidigt Industrieinteressen von gestern – Mantra der
Freiwilligkeit ist zum Scheitern verurteilt – Zivilgesellschaftliches
Engagement und Rechtsweg werden immer wichtiger, um Regierung an
Einhaltung von Recht und Gesetz zu erinnern
Am 14. März 2019 ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD
ein Jahr im Amt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet diese Zeit
als ein weiteres verlorenes Jahr für die Umwelt- und
Verbraucherschutzpolitik. Der Verein wirft der Großen Koalition vor,
nicht langfristig und vorausschauend zu agieren, sondern in einem
rückwärtsgewandten Kurs festzustecken. So werden die Interessen und
der Schutz der Verbraucher ignoriert und der Natur- und Klimaschutz
geopfert.
Die Bundesregierung hat sich bereits von den Klimazielen 2020
verabschiedet, zum Erreichen des 2030-Ziels ist es noch ein weiter
Weg. Dennoch wurde die im Koalitionsvertrag versprochene
Gebäudekommission, die den Klimaschutz beim Bauen und Wohnen
beschleunigen sollte, zurückgezogen. Auch der empfohlene
Kohleausstieg bis 2038 steht noch auf wackeligen Füßen, zudem ist
2038 zu spät, um die erforderlichen CO2-Einsparungen zu erreichen.
„Die Bundesregierung hat ihre Amtszeit mit einem Wortbruch begonnen.
Noch im Wahlkampf versprach Angela Merkel, die Klimaziele 2020
einzuhalten. Kurz danach folgte das Eingeständnis, dass das 2020-Ziel
nicht erreicht wird. Damit hat sich die Bundesrepublik zu Hause sowie
international blamiert und die Vorreiterrolle im Klimaschutz
endgültig verspielt. Auch der endlich beschlossene Einstieg aus dem
Kohleausstieg wird das nicht retten – 2038 ist zu spät, um die
Pariser Klimaziele 2050 zu erreichen. Der Ausstieg gelingt nur Hand
in Hand mit dem verstärkten Ausbau der Erneuerbaren“, resümiert
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Zu begrüßen ist der Vorstoß von Bundesumweltministerien Svenja
Schulze für das im Koalitionsvertrag versprochene Klimaschutzgesetz.
„Es ist gut, dass die betroffenen Sektoren Energie, Verkehr, Gebäude,
Industrie und Landwirtschaft in die Pflicht genommen werden. Ebenso,
dass konkrete CO2-Einsparziele vorgegeben sowie Kontrollen und
Sanktionen bei Nicht-Einhaltung eingeplant werden. Der Rahmen passt“,
sagt Müller-Kraenner. Allerdings vermisst die DUH wie auch bei
früheren Klimaschutzprogrammen inhaltliche Festlegungen, vor allem
zur kurzfristig wirksamen CO2-Reduktion im Verkehrssektor, beim
Ausbau der Erneuerbaren, einer CO2-Bepreisung oder einer Förderung
energetischer Maßnahmen in Gebäuden. „Die unionsgeführten Ministerien
müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen und Lösungen auf den Tisch
legen. Finanzminister Olaf Scholz sollte Schulze unbedingt
Schützenhilfe leisten und sich für eine CO2-Steuer stark machen,“ so
Müller-Kraenner weiter. Positiv zu bewerten sei die Initiative von
Wirtschaftsminister Peter Altmaier zum Ausbau der Stromnetze. Der
Ankündigung müssen jetzt aber auch konkrete Maßnahmen zur
Beschleunigung des naturverträglichen Netzausbaus folgen. Der Ausbau
der Netze und der Erneuerbaren Energien müssen Hand in Hand gehen.
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH:
„Statt auf wirksame gesetzliche Vorgaben, setzt Merkels Kabinett auf
das Engagement der Industrie und freiwillige Maßnahmen. Die Berge aus
Plastik- und Verpackungsmüll werden immer größer und der Anteil von
Mehrweggetränkeverpackungen liegt nur noch bei 43 Prozent. Hier auf
die Bereitschaft der Unternehmen zu setzen, kommt einer
Bankrotterklärung an den Umweltschutz gleich. Wir erwarten mehr
Durchsetzungskraft und Weitsicht.“ Es ist hinreichend belegt, dass
freiwillige Selbstverpflichtungen des Handels nicht ausreichen – sei
es bei der Vermeidung von Plastik- und Verpackungsmüll oder im
Bereich der Lebensmittelverschwendung. Vielmehr braucht es klare
gesetzliche Regulierungen und deren Kontrolle.
Mehr als drei Jahre nach Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals
vermisst die DUH weiterhin eine auf saubere Luft und Klimaschutz
ausgerichtete Verkehrspolitik. Dazu Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der DUH: „Während alle anderen Sektoren
zumindest einen Beitrag zum Klimaschutz erbracht haben, sind die
CO2-Emissionen im Verkehrsbereich sogar angestiegen. Die Autokonzerne
bestimmen in Deutschland weiterhin die Verkehrspolitik. Die
Abwehrhaltung in CDU und CSU zu dem von der Deutschen Umwelthilfe
geforderten und der Verkehrskommission als notwendig bestätigtem
Tempolimit ist der aktuelle Beweis für eine auf alte und schmutzige
Verbrennungsmotoren ausgerichtete Wirtschaftspolitik. Anstatt die
Dieselkonzerne zu zwingen, die elf Millionen Diesel auf unseren
Straßen zurückzurufen und die nicht funktionierende Abgasreinigung zu
reparieren, lassen Kanzlerin Merkel und Verkehrsminister Scheuer die
Autobauer ungeschoren davonkommen und belohnen sie sogar mit einer
regierungsamtlichen Werbung für den Kauf weiterhin auf der Straße
schmutziger Euro 6 Diesel-Pkw.“
Die DUH fordert, dass die Bundesregierung sich endlich um die
unter den hohen Stickstoffdioxid-Emissionen leidenden Asthmatiker,
Kinder, Alten und Kranken kümmert. „Anstatt den Abgas-Betrug
transparent aufzudecken, den Betrug der Hersteller mit Strafen zu
ahnden und diese zur Nachrüstung zu verpflichten, kämpft die
Bundesregierung Seite an Seite mit den Konzernen für eine Aufweichung
der Grenzwerte und stellt ihre eigenen amtlichen Luftmessstellen in
Frage. Mit dieser Politik wird es nicht gelingen, die gerichtlich
angeordneten Dieselfahrverbote zu verhindern. Der Zorn der
Autofahrer, die von Fahrverboten betroffen sind, ist verständlich.
Die Fahrverbote in den Städten sind am Ende die Konsequenz dieses
andauernden Versagens in der Luftreinhaltepolitik“, so Resch.
Dass Deutschland das EU-Mitgliedsland ist, gegen das mit die
meisten Vertragsverletzungsverfahren laufen, zeugt vom mangelnden
Anspruchsniveau im Umwelt- und Verbraucherschutz der aktuellen und
vorherigen Regierung. So hat die EU-Kommission Deutschland im Mai
2018 wegen anhaltend hoher Luftverschmutzung vor dem Europäischen
Gerichtshof verklagt. Auch gibt es bereits ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom Juni 2018 wegen anhaltend zu hoher
Nitratbelastung. Ein lauter Weckruf für die Bundesregierung scheint
dies jedoch noch nicht gewesen zu sein. Im Mai 2018 reichte die DUH
zudem Klage gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das
Bundeslandwirtschaftsministerium, ein. Ziel ist es, die Verschmutzung
des Trinkwassers durch Nitrateinträge zu verringern. Kommt
Deutschland dem nicht nach, drohen Strafzahlungen an die EU.
Ausreichende Maßnahmen für den Natur- und Artenschutz lassen weiter
auf sich warten. Darunter ein dringend nötiges
Pestizid-Reduktionsprogramm und die Überarbeitung der
Düngeverordnung. Laut Koalitionsvertrag sollte der Einsatz von
Glyphosat noch so schnell wie möglich beendet werden. Auch
Landwirtschaftsministerin Klöckner versprach beim Regierungsantritt:
„Was der Biene schadet, muss vom Markt.“ Nun wurden kürzlich vom
Bundesamt für Verbraucherschutz 18 Ackergifte zugelassen, die
Insekten schädigen können. Und das, obwohl in Bayern gerade erst 1,8
Millionen Menschen für das „Volksbegehren Artenvielfalt“
unterzeichnet haben.
Für die DUH steht fest, dass das Engagement
zivilgesellschaftlicher Organisation unter dieser Regierung noch
wichtiger wird, um Umwelt- und Verbraucherschutz auszubauen und
umzusetzen. Weigert sich die Bundesregierung weiterhin, geltendes
nationales und europäisches Recht umzusetzen, bleibt als Ultima Ratio
nur der Weg über die Gerichte. Diesen wird die DUH wenn nötig auch
weiterhin bestreiten.
Pressekontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin
0170 7686923, metz@duh.de
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
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