BERLINER MORGENPOST: Generation Pflege / Kommentar von Julia Emmrich

Seit Jahrzehnten gibt es eklatante Mängel in der
Pflege. Genauso lange warnen Experten vor einer Verschärfung der
Lage, vor Geldmangel im System, vor Personalmangel und Überforderung.
Seit Langem steht also fest, dass Deutschland in der Pflege auf
Verschleiß fährt. Und die Politik? Schraubte an den Beiträgen,
schraubte an den Pflegesätzen, ließ die Pflege ansonsten aber links
liegen. Das hat sich geändert. Der Pflegenotstand gehört zu den
Großbaustellen der Regierung. Warum? Ganz einfach: persönliche
Betroffenheit!

Für viele, die heute Politik machen, ist nicht mehr automatisch
klar, dass da schon irgendjemand sein wird, der sich im Notfall um
die alten Eltern kümmert - so wie früher die Ehefrauen, die
Tanten, die Enkelinnen. Das Gleiche gilt für viele Journalisten, die
über diese Politikergeneration schreiben. Auch sie stellen sich immer
öfter die Frage: Wer kümmert sich im Ernstfall? Wenn Söhne und
Töchter berufstätig sind, oft Hunderte Kilometer entfernt leben, sich
oft auch die anstrengende Pflege nicht zutrauen – was dann? Seit auch
die professionellen Meinungsmacher immer öfter an diesem Punkt
stehen, gewinnt die Pflegefrage an Gewicht.

Als Ursula von der Leyen damals von der Pflege ihres demenzkranken
Vaters, des ehemaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, erzählte,
war das noch eine Ausnahme. Als Gesundheitsminister Jens Spahn
erklärte, er könne sich die Pflege seiner Eltern nicht vorstellen,
löste er schon eine breite Debatte aus. Sicher: Noch immer erzählen
Politiker lieber von der Sorge, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu
haben, als von Sorge, keine gute Betreuung für hochbetagte
Familienmitglieder zu finden. Anders als bei Experten gilt zudem für
Politiker: Gemessen werden sie nicht am Problembewusstsein, sondern
am Handeln. Es wird also höchste Zeit für sichtbare Erfolge.

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