Bislang galt Armin Laschet vor allem als politischer
Abstauber. Er war stets zur Stelle, wenn ein anderer seinen politischen Rückhalt
verloren hatte. So ist er in NRW Fraktionschef, Parteichef und Ministerpräsident
geworden. Wenn er nun zum Chef der Bundespartei und daraus folgend auch zum
Kanzlerkandidaten aufsteigt, dann wiederholt sich das Muster: Er beerbt die
glücklose Annegret Kramp-Karrenbauer. Doch zum Bundesvorsitzenden und
Kanzlerkandidaten gehört mehr, als zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Dass
Laschet dies vermag, hat er mit der geschickten Aufstellung seiner
Landesregierung und nun mit der Einbindung seines Erzrivalen Jens Spahn
bewiesen. Das Bemerkenswerte an Laschets Kandidatur ist, dass ausgerechnet Jens
Spahn ihm den Rücken stärkt. Jener Spahn, der gegen den Willen Laschets
Präsidiumsmitglied wurde, der Laschet mit seiner Kampfkandidatur um den
CDU-Vorsitz 2018 düpierte und immer auf die Chance lauerte, den Älteren in NRW
anzugreifen. Die Team-Lösung verschafft Laschet im parteiinternen Machtkampf
einen klaren Vorteil: Spahns noble Entscheidung, zugunsten des
NRW-Ministerpräsidenten auf eine eigene Kandidatur zu verzichten, wird auf
Laschets Konto einzahlen. Die Lust auf fortgesetzten öffentlichen Streit und
weitere Selbstzerfleischung ist vielen Christdemokraten angesichts des
Schicksals der SPD längst vergangen. Gemeinsam decken die beiden CDU-Männer ein
breites Spektrum ab. Spahn kommt bei den Konservativen gut an. Er hat oft genug
der Kanzlerin widersprochen, damit er für einen Neustart steht. Laschet wiederum
ist der Garant dafür, dass die CDU eine Partei der Mitte bleibt, die den
ausgleichenden Politikstil Angela Merkels fortsetzt. Gemeinsam haben sie die
Chance, die CDU auf die Flughöhe einer Volkspartei zurückzubringen. Es ist die
letzte Chance dieses Dinosauriers der europäischen Parteienlandschaft, sich fürs
Überleben an die Moderne anzupassen. Dies kann aber nur gelingen, wenn ein neuer
Parteichef auch Beinfreiheit hat – mehr als dies bei Annegret Kramp-Karrenbauer
der Fall war. Ein neuer Parteichef, gleichgültig ob er Merz, Röttgen oder
Laschet heißt, wird sich von Merkel absetzen müssen, wenn er nicht auch zwischen
Partei, großer Koalition, Kanzleramt und den aufgeregten gesellschaftlichen
Debatten zerrieben werden will. Ein solcher Kurs wird auf Kosten der Kanzlerin
gehen. Die CDU wird sich nicht glaubhaft erneuern können, solange Merkel die
Autorität in der Partei hat. Selbst mit dem Merkelvertrauten Laschet an der
Parteispitze wird sich der Druck auf die Kanzlerin erhöhen, Ende 2020 oder
Anfang 2021 entgegen ihrer Ankündigung vorzeitig aus dem Amt zu scheiden. Nach
einem harten parteiinternen Wahlkampf um den CDU-Vorsitz dürfte der neue Chef
aufs Kanzleramt zielen. Mehrfach schon hat Spahn den Satz gesagt, dass die CDU
laufen lernen müsse. Unter anderem mit diesen Worten hatte Merkel seinerzeit den
Bruch der CDU mit Helmut Kohl eingeleitet. Im Zweifel wird Spahn die treibende
Kraft sein, dass Laschet in die Auseinandersetzung mit der Kanzlerin geht. Das
Duo Laschet/Spahn bietet für die CDU die größte Chance, ihre innerparteilichen
Kämpfe zu befrieden. Für die kommenden Wochen wird sich die Öffentlichkeit
allerdings auf einen Wahlkampf mit harten Bandagen einstellen müssen. Schon beim
ersten öffentlichen Auftritt der Kontrahenten Laschet und Merz am Dienstag
flogen die Giftpfeile hin und her. In der vergangenen Woche hatte auch Norbert
Röttgen nicht mit Kritik an seinen Parteifreunden gespart. Dieser parteiinterne
Wahlkampf droht die CDU weiter zu schwächen, wenn die Protagonisten nur die
Fehler der Konkurrenz beleuchten. Die Union wäre gut beraten, ihre Kandidaten
für den CDU-Vorsitz an den zentralen Fragen zu messen: Kann er die Partei einen?
Kann er mit seinen Inhalten die politische Mitte mobilisieren? Hat er eine
Strategie für die nächste Bundestagswahl? Welche Rezepte liefert er im Umgang
mit der AfD?
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