Nach Aufhebung der innerdeutschen Grenze durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist bisher nichts über die Grenzkommission veröffentlicht worden; obwohl sie das einzige gemeinsame Organ der beiden deutschen Staaten war, das der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR (1974) geschaffen hatte.
Als Vertreter des Landes Niedersachsen war Klaus Otto Nass zwischen 1976 und 1978 Mitglied dieser Grenzkommission. Mit „Die Vermessung des Eisernen Vorhangs“ legt er nun erstmals ein Buch vor, das sich umfassend mit der Arbeit der Grenzkommission auseinandersetzt. „Dieses Buch zieht den Vorhang weg, hinter dem sich die DDR Staatssicherheit während der Beratungen der Grenzkommission verborgen hat. Es deckt die allumfassende Kompetenz auf, die das Ministerium für Staatssicherheit unter der Autorität des Politbüros des ZK der SED für das militärisch technische Sicherungssystem der Westgrenze der DDR hatte“, so der ehemalige Staatssekretär.
Durch die erstmalige Veröffentlichung von zahlreichen Stasi Unterlagen, Fotografien und Dokumenten gewinnt dieses Buch an besonderer Authentizität. Während seines intensiven dreijährigen Aktenstudiums in der Gauck- beziehungsweise Birthler-Behörde erhielt Klaus Otto Nass einen tiefen Einblick in geheime Protokolle von Ministergesprächen, aus denen sich auch die technischen und administrativen Unzulänglichkeiten des immer weiter ausgebauten Grenzregimes ergeben.
Besonderen Schwerpunkt legt Nass mit seiner Arbeit auf die konkrete Schilderung der Überwachung der bundesdeutschen Mitglieder der Grenzkommission durch die Stasibezirksämter. Durch das Aktenstudium erfuhr Nass, dass ein Mitglied der DDR Grenzkommission zugleich als inoffizieller Mitarbeiter des Ministerium (IM) für Staatsicherheit die Verhandlungen beobachtete und an den Minister für Staatsicherheit Mielke ausführlich Bericht erstattete: vom individuellen Verhalten der Sitzungsmitglieder bei Tisch, Spaziergängen, Einkäufen oder auch Restaurantbesuchen. Nass schildert auch seine Begegnung mit jenem IM dreißig Jahre später in Berlin Unter den Linden.
„Die Vermessung des Eisernen Vorhangs“ belegt zudem die Unmenschlichkeit der 1.393 km langen innerdeutschen Grenze durch Schilderung der so genannten militärtechnischen Anlagen. Zitate der Spitzen von Partei und Staat über den Schusswaffengebrauch und dessen
gesetzliche Regelung verdeutlichen einmal mehr, dass die seinerzeitige deutsche Debatte über den „Schießbefehl“ nach der Antwort auf eine falsche Frage suchte.
Klaus Otto Nass ausführliche Analyse wird aufgelockert durch lebendige Berichte über das Erscheinungsbild, das die DDR den bundesdeutschen Mitgliedern bot, wenn die Grenzkommission in der DDR oder in Ostberlin tagte.
Gerhart Baum, Bundesinnenminister 1978 -1982, in seinem Geleitwort: „Die Dokumente dieses Buches bestätigen, dass die Partei- und Staatsführung der DDR es offenbar hinnahm, begrüßte oder forderte, dass das MfS als vorrangige öffentliche Aufgabe das gesamte private, soziale, staatliche, politische und wirtschaftliche, aber auch militärische Geschehen so vollständig und hemmungslos wie möglich überwachte und unendliche Spionageberichte zu Papier-Gebirgen in der Zentrale und in Stasi-Bezirksämtern auftürmte. Dieses Buch ist ein gut gelungener wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte, der Verbreitung und Aufmerksamkeit verdient“.
Die Vermessung des Eisernen Vorhangs
Deutsch-deutsche Grenzkommission und DDR-Staatssicherheit
Hardover, 372 Seiten, EUR 24,90
Zahlreiche Abbildungen und Fotografien
Mit einem Geleitwort von Bundesminister a.D. Gerhart Baum
ISBN 978-3-8255-0766-4
Centaurus Verlag & Media KG / Freiburg
www.centaurus-verlag.de
Prof. Dr. Klaus Otto Nass, Staatssekretär a.D., war von 1976 bis 1978 Vertreter des Landes Niedersachsen in der Grenzkommission. Er lehrt Völker- und Europarecht an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.