Wenn sich die Landschaft in Schnee hüllt und die
Boulevardmedien vor einem Jahrhundertwinter warnen, dann fällt es
schwer, sich Gedanken um die Klimaerwärmung zu machen. Aber natürlich
ist ein kalter Winter in Ostwestfalen-Lippe noch lange kein
Gegenbeweis für den anhaltenden Klimawandel. Im Gegenteil: Ein
Jahrhundertwinter wäre nur ein neuer Fall von extremen Wetterlagen,
wie sie von den Veränderungen in der Atmosphäre hervorgerufen werden.
Wer seriös ist, hält sich an die amtlichen Temperaturmessungen. Sie
besagen, dass 2001 bis 2010 global gesehen das wärmste je gemessene
Jahrzehnt gewesen ist. 2010 wird vermutlich eines der drei heißesten
Jahre seit 1850. Interessantes tut sich auf der Liste der zehn
größten Unwetter. Wo sonst Länder wie Haiti, Myanmar, Bangladesch und
Honduras ganz oben stehen, tauchen 2009 auch ein Unwetter in Saudi
Arabien und die lange Hitzewelle in Australien auf. Es ist fast kein
Land mehr vor Wetterkatastrophen gefeit. Dies sollte eigentlich die
Neigung, sich auf wirksame Schritte gegen die Klimaerwärmung zu
einigen, verstärken. Die Gipfelkonferenz in Kopenhagen stellte in der
Hinsicht einen Totalausfall dar. Das unverbindliche
Konferenz-Statement war die Spesen der Delegierten nicht wert. Die
Allianz der Europäer und den am meisten vom Anstieg des
Meeresspiegels betroffenen Staaten zerbrach an dem Unwillen Chinas
und anderer Schwellenländer, Reduzierungen bei den Schadstoffen
rechtsverbindlich festzulegen. Die Nachwahlen in den USA, die Barack
Obamas Position schwächten, trüben die Aussicht auf Cancún weiter.
Die Schwellenländer argumentieren, dass die Industriestaaten die
Hauptverantwortung für die Klimaerwärmung tragen. Das ist historisch
richtig. Aber welchen Sinn macht es, ein schwankendes Boot noch mehr
zu belasten? Man riskiert damit nur, dass das Schiff endgültig
umkippt. Im mexikanischen Cancún aalen sich in der Saison überwiegend
nordamerikanische Touristen in der Sonne. Die Ferieninsel liegt in
einer Zone, die immer wieder von Hurrikans heimgesucht wird.
Gesprächsstoff gibt es also. Kaum einer erwartet aber konkrete
Ergebnisse. Das Beste, was die Konferenz bieten könnte, wäre eine
Vorlage für das nächste Zusammentreffen 2012 in Südafrika, wo die
Welt ein Nachfolgeabkommen für Kyoto vereinbaren muss. Die in Cancún
verbleibende Zeit sollten die Delegierten nutzen, um Hilfen für die
Staaten zu beschließen, die jetzt schon unter den Folgen der
Klimaerwärmung leiden. Da geht es ganz konkret um Küstenschutz und
Schutzpolder für sich häufenden Hochwasser, um Hilfen für Bauern,
deren Äcker durch das häufiger eindringende Meerwasser unfruchtbar
werden, und der Einwohner, deren Hütten von Sturm und Wind zerstört
werden. Hier nichts zu tun, ist zynisch. Und es rächt sich spätestens
dann, wenn noch mehr Klimaflüchtlinge aus diesen Regionen nach Europa
drängen.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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