Cancún: Welthungerhilfe-Vizepräsident Töpfer fordert Führungsrolle Deutschlands

9.12.2010. Die gegenwärtig laufende Klimakonferenz im
mexikanischen Cancun muss nach Auffassung des Vizepräsidenten der
Welthungerhilfe, Prof. Dr. Töpfer, entscheidende Fortschritte zum
Schutz des Weltklimas erreichen.

„Bereits gegenwärtig leiden bis zu einer Milliarde Menschen auf
dieser Welt unter Hunger, Unterernährung und Fehlernährung. Der
weitere Anstieg der Weltbevölkerung auf bis zu neun Milliarden
Menschen in der Mitte dieses Jahrhunderts, wird den Druck auf die
Nahrungsmittelproduktion noch zusätzlich massiv ansteigen lassen.

Böden und Wasserreserven schützen

Es ist daher alles zu tun, die Ertragsfähigkeit der Böden zu
erhalten und wo immer möglich zu steigern. Die in vielen Regionen
bereits gegenwärtig äußerst knapp gewordenen Wasserreserven für
landwirtschaftliche Produktion müssen durch technologischen
Fortschritt und umfassende Investitionen effizienter genutzt werden.
Die Artenvielfalt und insbesondere die Wälder müssen erhalten und
auch als Aufnahmeflächen für CO² weiter ausgebaut werden.

Die ohnedies außerordentlich schwierige Perspektive der
Nahrungsmittelversorgung der Welt, wird durch den bereits gegenwärtig
wirksamen Klimawandel in einigen Regionen weiter deutlich verschärft.
Wenn es nicht gelingt, den Klimawandel so zu beherrschen, dass der
Temperaturanstieg nicht über zwei Grad hinausgeht, wird es nahezu
unmöglich werden, für neun Milliarden Menschen eine hinreichende
Ernährungsgrundlage zu schaffen.

Hunger wird weiter zunehmen

Besonders die extremen Wetterereignisse, die durch Klimawandel
verursacht an Zahl und Intensität weiter zunehmen werden, sowie die
Veränderung des Niederschlagsverhaltens in wichtigen Regionen der
Nahrungsmittelproduktion, werden kaum abzuschätzende negative
Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion haben. Hunger und
Unterernährung werden weiter ansteigen.“

Vor diesem Hintergrund erwartet Töpfer, dass in Cancún wirksame,
konkrete Maßnahmenprogramme für Klima bezogenes Handeln unmittelbar
beschlossen werden.

„Es kann nicht darauf gewartet werden, bis neue rechtlich
verbindliche Abkommen ausverhandelt und ratifiziert sind. Es muss
jetzt gehandelt werden! Zu diesen Maßnahmen einer unmittelbar
wirksamen, konkreten Klimapolitik gehören vor allem der Schutz der
Wälder und deren weiterer Ausbau.

Dazu gehört die Sicherung der Produktivität der Böden, die
insbesondere vor den Gefahren der Erosion durch verändertes
Niederschlagsverhalten geschützt werden müssen. Zusätzlich
erforderlich sind umfassende Programme technologischer
Zusammenarbeit, vor allem im Bereich der Energieeffizienz und
erneuerbaren Energien. Diese Zusammenarbeit mit den
Entwicklungsländern, aber auch den großen Schwellenländern ist
gleichzeitig eine wirksame Maßnahme zur Sicherung zukunftsfähiger
Arbeitsplätze auch in Deutschland.

Durchbruch für Anpassungsmaßnahmen

In besonderer Weise aber muss Cancún zu einem glaubwürdigen
Durchbruch bei der solidarischen Unterstützung der Industrieländer
für die Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den
Entwicklungsländern werden. Das wirtschaftliche Wachstum in den jetzt
hochentwickelten Ländern ist in der Vergangenheit umfassend
subventioniert worden dadurch, dass über viele Jahre und Jahrzehnte
hinweg Kohlendioxid und andere klimarelevante Emissionen aus der
Energieversorgung mit fossilen Energien in die Atmosphäre gelangen
konnten. Sie haben dazu geführt, dass dort diese Spurenelemente sich
deutlich konzentriert haben und in dem Bereich gefährlicher Klima
verändernder Wirkungen gekommen sind.

Die Entwicklungsländer haben an diesem Prozess keinerlei Anteil
gehabt, sie leiden aber gegenwärtig in besonderer Weise unter den
dadurch bedingten Klimaveränderungen.

Keine Umbuchungen

Daher ist die bereits in Kopenhagen festgelegte ergänzende
Finanzierung von 30 Milliarden US$ bis zum Jahre 2012 so zu fixieren,
dass es sich nicht um eine Umwidmung von bereits für andere Ziele
zugesagten Finanzmittel handelt. Derartige „Umbuchungen“ werden die
Glaubwürdigkeit der hochentwickelten Länder in ihrem Bemühen, den
Klimawandel zu beherrschen und die Auswirkung des Klimawandels zu
bekämpfen, massiv beschädigen.

Über diese 30 Milliarden US$ hinweg müssen auch die bereits in
Kopenhagen anvisierten Finanzmittel von 100 Milliarden US$ pro Jahr
in Cancún ausverhandelt werden. Dabei geht es nicht nur darum, die
jeweiligen Finanzströme und ihr Aufkommen festzulegen, sondern auch
dafür Sorge zu tragen, dass durch geeignete Mechanismen die
Verwendung dieser zusätzlichen Mittel für den Klimaschutz
gewährleistet ist.

Die Bundesregierung ist in besonderer Weise aufgerufen, durch
eigenes Handeln unmissverständlich so zu entscheiden, dass eine
Umbuchungsmentalität von bereits zugesagten Mitteln nicht auftreten
kann.

Führungsrolle für Deutschland

Insgesamt kann und muss die Bundesrepublik Deutschland und die
Bundesregierung in Cancún eine eindeutige und klare Führungsrolle
übernehmen. Dazu gehört in besonderer Weise auch, in der Europäischen
Union die Voraussetzung für ein umfassendes Programm der
Klimaanpassung durchzusetzen. Erreicht werden muss auch durch Handeln
der Bundesregierung, dass die bisher für die Europäische Union
beschlossene Minderung der CO² Emission um 20 Prozent bis zum Jahre
2020 deutlich erhöht wird. Die Bundesregierung kann und muss damit
vorangehen, dass sie belegt, dass auch 40 Prozent Minderung erreicht
werden kann, ohne dass damit wirtschaftliche Nachteile verbunden
sind. Im Gegenteil: Es kann und wird bewiesen werden, dass ein
Ausstieg aus den fossilen Energien und der Weg zu einer „low carbon
economy“ die große Chance auch für wirtschaftliche Stabilität und
Zukunftssicherung von Arbeitsplätzen darstellt.

Die im Energiekonzept der Bundesregierung vorgesehene Verminderung
der CO² Mission um 80 Prozent bis 2020 muss als Mindestziel
festgeschrieben und wo immer möglich in der Europäischen Gemeinschaft
verankert werden.

Die Welthungerhilfe ist eine der größten privaten
Hilfsorganisationen in Deutschland. Sie leistet Hilfe aus einer Hand:
Von der schnellen Katastrophenhilfe über den Wiederaufbau bis zu
langfristigen Projekten der Entwicklungshilfe mit einheimischen
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Seit der Gründung im Jahr 1962 wurden mehr als 6.247 Projekte in 70
Ländern mit 2,03 Milliarden Euro gefördert – für eine Welt ohne
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