WAZ: Es geht nur um die Machtfrage
– Leitartikel von Walter Bau

Man könnte meinen, die Landespolitik stehe Kopf:
Christdemokraten und Liberale überbieten sich derzeit förmlich in
Kooperations-Angeboten an Rot-Grün. Von der Zusammenarbeit in
wichtigen Bereichen (CDU) bis zur unverhohlenen Offerte einer
gemeinsamen Koalition (FDP) ist alles geboten. Offenbar handelt die
Opposition nach dem Motto: Rette sich wer kann! Dabei geht es den
Wahlverlierern vom Mai mit ihren durchsichtigen Manövern, wenn
überhaupt, nur vordergründig um Inhalte, sondern schlicht um die
Macht. Angesichts drohender Bedeutungslosigkeit in der Landespolitik
mutieren sogar erklärte Grünen-Feinde urplötzlich zu Befürwortern
einer „Ampel“-Koalition. Man reibt sich vor Verwunderung die Augen,
wer da alles in den Chor einstimmt. Nun könnte man dies als
Panikattacken einer orientierungslos umher treibenden Opposition
abtun, die das Debakel der Landtagswahl halt noch nicht verarbeitet
hat. Doch die Misere reicht tiefer. Nicht allein, dass CDU und FDP
jene 41,3 Prozent der Wähler, die im Mai für das bürgerliche Lager
votierten, vor den Kopf stoßen. Die Demokratie braucht eine
handlungsfähige, starke Opposition. Dies gilt umso mehr, da in
Düsseldorf eine Minderheitsregierung amtiert, die auf die
Unterstützung der unberechenbaren Linkspartei angewiesen ist. Es ist
ja nicht so, als böte die Regierung Kraft keine Ansatzpunkte für
Kritik. Man denke nur an die rot-grüne Verschuldungspolitik. Doch
statt den Finger in die Wunde zu legen, gehen CDU und FDP auf
Schmusekurs zur Minderheitsregierung. Und was sagen die beiden neuen
Vorsitzenden? Weder Norbert Röttgen (CDU) noch Daniel Bahr (FDP)
scheint gewillt, die Rolle des Oppositionsführers in Düsseldorf
annehmen zu wollen. Der eine (Röttgen) schaut aus dem fernen Berlin
dem Treiben offenbar tatenlos zu; der andere (Bahr) mischt munter mit
beim Werben um das Wohlwollen von SPD und Grünen. Es ist ein
Trauerspiel. Fazit: Die Opposition im Landtag bietet ein Bild des
Jammers. Statt die Regierung zu stellen, verheddern sich CDU und FDP
zunehmend im Gestrüpp machtpolitischer Winkelzüge. Nutznießer ist
allein Rot-Grün. Mit ihren durchsichtigen Manövern fügt die
Opposition der Demokratie Schaden zu – und zwar unabhängig von
parteipolitischen Aspekten.

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