BERLINER MORGENPOST: Der Bürgerwille senkt noch keinen Wasserpreis – Leitartikel

Der Senat ist geschockt, die Vertreter der
Initiative Berliner Wassertisch feiern. Und alle stellen sich die
Frage, wie es weitergehen wird. Doch die ist gar nicht einfach zu
beantworten, weil es sich bei den teilprivatisierten Wasserbetrieben
um eine komplizierte Sache handelt. Das Wichtigste ist: Natürlich
gilt der Volksentscheid, denn das erforderliche Quorum ist zur
Überraschung fast aller zustande gekommen. Der Volksentscheid hat
Gesetzeskraft. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und auch
Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) versprachen am Montag, dass
sie die Offenlegung weiterer Wasserdokumente prüfen werden. Eine
Klage vor dem Verfassungsgericht soll es nicht geben, weil beide nach
wie vor der Meinung sind, dass der Volksentscheid überflüssig war.
Schließlich habe man schon im November vergangenen Jahres 700 Seiten
der Teilprivatisierungsverträge ins Netz gestellt, so Wowereit. Die
Linke sieht das anders und will klagen, heute wird der Senat beraten.
Offen ist, ob es noch mehr Geheimverträge und Nebenabsprachen gibt,
so wie es die Initiative vermutet. Wahrscheinlich ist der Vorschlag
richtig, eine unabhängige Kommission zu bilden, die die
Dokumentenlage prüft. Doch was dann? Den knapp 666.000 Berlinern, die
beim Volksentscheid mit Ja gestimmt haben, wird die Veröffentlichung
im Internet nicht reichen. Sie erwarten nämlich, dass nun die
Wasserpreise in Berlin sinken. Und zwar deutlich. Und weil sie die
privaten Teilhaber an den Berliner Wasserbetrieben – die Konzerne RWE
und Veolia – als die Bösen identifiziert haben, verlangen sehr viele
Berliner, dass die Landesregierung die Wasserbetriebe wieder
zurückkauft. Nach dem Motto: Wenn das Unternehmen wieder dem Staat
gehört, wird der schon dafür sorgen, dass der Wasserpreis fällt. Doch
so einfach ist es eben nicht. Zum einen sind RWE und Veolia nicht
allein für den Preis verantwortlich. Das Land besitzt immerhin 50,1
Prozent der Anteile, hat die Verträge ausgearbeitet, die Preise
genehmigt und in den letzten Jahren kräftig mitverdient. Wer jetzt
wieder die Schuld bei der großen Koalition sucht, die die
Teilprivatisierung 1999 beschlossen hatte, sei daran erinnert, dass
auch Rot-Rot nichts an den Verträgen geändert hat. Auch wenn der
Wirtschaftssenator vor einiger Zeit das Kartellamt anrief, die
Wasserpreise zu überprüfen, ist unklar, ob die Wettbewerbshüter den
Berlinern helfen werden. Fest steht, dass das überschuldete Land
Berlin die Wasserbetriebe nicht einfach zurückkaufen kann. Wer den
Menschen jetzt sagt, man könne den damaligen Milliarden-Kaufpreis
problemlos aufbringen oder gar die Verträge für nichtig erklären, der
schwindelt die Menschen an. Und der Hinweis sei gestattet: Gerade
erst hat der Senat den Verkauf der Berliner Immobilienholding (BIH)
gestoppt, was nun bedeutet, dass das Land Berlin ab 2012 rund 180
Millionen Euro pro Jahr für die BIH aufbringen muss. Jedes Jahr.
Geld, das für Bildung, Kitas, Sicherheit fehlt – aber eben auch für
einen möglichen Rückkauf der Wasserbetriebe. Die Berliner, die davon
ausgehen, dass nach dem Erfolg des Volksentscheids nun die
Wasserpreise sinken, geben sich einer Illusion hin. Bis dahin ist es
ein langer Weg.

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