Mittelbayerische Zeitung: Signale aus Hamburg

Die Hamburger SPD kann ihr Glück kaum fassen.
Sie freut sich auf die Wahlen am Sonntag. Umfragen sagen den
Sozialdemokraten mehr als 40 Prozent der Stimmen voraus, wenn die FDP
oder die Linke den Sprung in das Parlament der Hansestadt nicht
schaffen sollten, ist sogar eine absolute Mehrheit möglich. Die ganze
krisengebeutelte SPD will von der ersten Landtagswahl dieses Jahres
profitieren. Bundesweit ist es der Partei nämlich bisher nicht
gelungen, abgewanderte Wähler zurückzugewinnen. Laut
Meinungsforschern verharrt die SPD deutschlandweit aktuell bei 22
Prozent. Hamburg soll ein Aufbruchsignal aussenden, schließlich
stehen in diesem Jahr noch sechs weitere Landtagswahlen an. Der neue
und zugleich alte Hoffnungsträger in Hamburg heißt Olaf Scholz. Die
SPD feiert ihn, obwohl viele Genossen ihn einst als Scholzomaten
verspotteten. Der ruhig und bedächtig argumentierende 52-Jährige
verteidigte als Generalsekretär des Parteivorsitzenden Gerhard
Schröder den Kurs der neuen Mitte des damaligen Kanzlers. Da man sich
an Schröder selbst nicht herantraute, kühlten bei einem Parteitag
2002 die Delegierten ihr Mütchen an Scholz. Er erhielt nur 52 Prozent
der Stimmen, zwei Jahre später musste er als Generalsekretär
abtreten. Nun setzt die Partei auf Scholz, denn in der Hansestadt
kommt bürgerliche Zurückhaltung an. Nach zehn Jahren CDU-Regierung an
der Elbe zeigt sich der SPD-Kandidat gerne mit Vertretern der
Wirtschaft, mit Reedern und Kaufleuten. Scholz setzt sich für Ausbau
des Hafens, der Schlagader der Stadt ein und lässt keinen Zweifel
daran, dass er auch in einer Koalition mit den Grünen auf keinen Fall
von diesem Kurs abweichen will. Dieser strategische Mitte-Kurs könnte
im Fall des Wahlerfolgs der ganzen Sozialdemokratie als Vorbild
dienen. Nicht am linken Rand werden in Deutschland Wahlen gewonnen,
sondern in der Mitte der Gesellschaft. Damit liegt Scholz auf
derselben Linie wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt
Beck. Der frühere SPD-Parteivorsitzende muss sich im März ebenfalls
einer Landtagswahl stellen. Und da macht es sich gut, wenn man beim
Wähler als Pragmatiker und Kümmerer wahrgenommen wird. Beck hat sich
daher mit Bedacht in die verfahrenen Hartz-IV-Verhandlungen
eingemischt. Gelingt ihm zusammen mit den Unionsministerpräsidenten
Wolfgang Böhmer und Horst Seehofer ein Durchbruch, kann er sich in
der Endphase seines Wahlkampfes als bundesweit wichtiger und noch
dazu erfolgreicher Politiker profilieren. Es bleibt abzuwarten, ob
die Union dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten diesen Erfolg
gönnen wird. Für Union und Liberale kommt es in diesem regionalen
Superwahljahr vor allem darauf an, dass die Wahlen in Hamburg und
Rheinland-Pfalz nicht zu einem Fanal für einen schleichenden
Niedergang der schwarz-gelben Bundesregierung werden. In der
bundesdeutschen Politik ist es fast schon Tradition, dass die in Bonn
oder Berlin regierenden Parteien bei Landtagswahlen abgestraft
werden. Wird im Kanzleramt „schwarz“ regiert, dann färbt sich die
Landkarte der Republik rot – dasselbe gilt umgehrt auch. Deutliches
Signal ist immer der Wechsel der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat –
wie jetzt geschehen. Wenn dort eine Bundesregierung keine Mehrheit
mehr hat, dann markiert dies oft den Anfang vom Ende einer Koalition.
Insofern wird die Union alles tun, um ihrerseits im Kampf um die
Mitte bei den kommenden Wahlen erfolgreich zu bleiben. Scholz mag in
Hamburg siegen, aber die Hansestadt ist zu klein, um ein politisches
Erdbeben auszulösen. Entscheidend ist die Wahl in Baden-Württemberg
Ende März. Dann erst wird sich zeigen, was der Wahlsieg der SPD in
Hamburg bundespolitisch wirklich wert ist.

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