Eine Frage der Ehre – Verteidigungsminister de
Maizière wirbt um Vertrauen und appelliert an die Jugend
von Alf Clasen
Karl-Theodor zu Guttenberg hat seinem Nachfolger Thomas de
Maizière ein schweres Erbe hinterlassen. Die unglaublich große
Beliebtheit, die der zurückgetretene Verteidigungsminister bis
zuletzt bei „seinen“ Soldaten genoss, kann der neue Chef im
Bendler-Block kaum erreichen. Immerhin scheinen de Maizière
Berührungsängste fremd. Demonstrativ suchte der Sohn eines Generals
bei seinem ersten Truppenbesuch das Gespräch mit den Soldaten.
Vertrauen schaffen lautet das Gebot der Stunde. Wenn erforderlich,
eben mit einem Auftritt in lockerer Freizeitkleidung, so wie gestern
auf dem Übungsplatz in der Letzlinger Heide. Der neue
Verteidigungsminister hat eine Strukturreform geerbt, die der Truppe
Gewaltiges abverlangt. Statt Aufbruchstimmung herrscht Unsicherheit
in der Bundeswehr. Vielen Standorten droht die Schließung.
Aktuell ist aber die Nachwuchsgewinnung das brisanteste Thema.
Beim überstürzten Übergang zur Freiwilligenarmee droht akute
Personalnot. Es mangelt vor allem an Mannschaftsdienstgraden, die in
der Vergangenheit in Masse von den Wehrdienstleistenden gestellt
wurden. Wer jetzt noch in Erwägung zieht, zum „Bund“ zu gehen, wartet
erst mal ab, was ihm Vater Staat finanziell zu bieten hat.
Prämienmodelle sind angedacht, müssen aber erst noch durch den
Bundestag. Und im Zweifel bietet die freie Wirtschaft nach
durchquertem Konjunkturtal ohnehin die bessere Perspektive.
De Maizière weiß um die Tragweite des Problems – und appelliert in
seiner Verzweiflung an die Ehre der deutschen Jugend. Die jungen
Männer und Frauen mögen doch bitte von jenem Geist beseelt werden,
„den wir vom Ehrenamt her kennen“. Geld sei schließlich nicht alles.
Das sind hehre Worte, die aber ihr Ziel verfehlen werden. Der Dienst
in den Streitkräften ist nun mal etwas anderes als der Dienst in der
freiwilligen Feuerwehr oder bei der DLRG. Sein Leben in Afghanistan
aufs Spiel zu setzen, ist weit mehr als eine Frage der Ehre. Nein,
wer ausreichend qualifizierte Köpfe zur Armee locken will, muss tief
in die Tasche greifen. Dass sich mit der Abschaffung der Wehrpflicht
viel Geld sparen lässt, hat sich längst als Trugschluss erwiesen.
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