Schmerzhafte Einsicht
In Afghanistan werden Menschen geköpft, weil in Amerika ein Buch
verbrannt wird. Zeitgleich lässt ein radikaler Prediger namens Terry
Jones keine Provokation aus, um weiter Hass zwischen Christentum und
Islam zu schüren. Bei all diesem Irrsinn steht selbst die Weltmacht
USA machtlos zwischen den Fronten.
Aus dem Angriff auf das UN-Büro und den anhaltenden blutigen
Protesten sollte die westliche Welt zwei entscheidende Schlüsse
ziehen: Erstens müssen die USA und ihre Verbündeten zehn Jahre nach
dem Einmarsch in Afghanistan feststellen, dass der Einsatz von immer
größeren Teilen der islamischen Welt als Feldzug des Christentums
angesehen wird.
Nur so ist es zu erklären, dass schon die Ankündigung zur
Koran-Verbrennung Tausende Afghanen zu Gewaltorgien trieb. Und
zweitens: Eine Situation, in der die Provokation eines Einzelnen
ausreicht, um einen Flächenbrand auszulösen, ist nicht beherrschbar –
auch nicht von einer Supermacht.
Mit jedem Toten und jedem Anschlag wird deutlicher, dass die
westliche Welt die Zahl der Opfer nur reduzieren kann, indem sie sich
aus dem Krisenherd zurückzieht und so weitere Provokationen
vermeidet. Der blutige Protest in Afghanistan und anderen islamischen
Staaten wird erst abebben, wenn die Alliierten das Land verlassen
haben. Es ist eine schmerzhafte Einsicht – aber eine notwendige.
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