Neues Deutschland: zum Entwurf des Einheitsdenkmals

Wir sind schon lang nicht mehr das Land der Richter
und Henker, sondern wieder: der Dichter und Denker. Die uns
bestätigen, dass wir nicht nur den »Zerbrochnen Krug« haben, sondern
auch schöne, sinnreich gefüllte Schalen. Wo guter Geist entweicht:
»Schon ahn ich aus der Schale Weihrauchduft./ Er rüstet sich, das
hohe Werk zu segnen;/ Es kann fortan nur Glückliches begegnen.«
Goethe, »Faust«. Passend zum favorisierten Entwurf fürs Freiheits-
und Einheitsmal. Dass die furiose Choreografin Sasha Waltz das Werk
mitschuf, ist verdienstvoll: Endlich jemand, der in Sachen Einheit
und Freiheit etwas von arg vernachlässigter Balance versteht. Komm
auf die Schale, Luise! – die Schüssel ist begehbar und heißt:
»Bewegte Bürger«. Hintersinnig: Man kommt in deutscher Freiheit
leicht ins Schlingern. Vielleicht ist Waltz auch deshalb als Expertin
dabei, weil das Thema inzwischen viel mit dem Tanz ums Goldene Kalb
zu tun hat. Gerhart Hauptmann schrieb: »Vor mir eine große goldne
Schale«, auf deren Grund eine schwarze Kugel: »Rolle sie, daß deine
Schale klinge,/ und sie doch den Rand nicht überspringe,/denn sonst
legt sich Nacht auf alle deine Bahnen!« Hauptmann beschreibt eine
Gefahr, der das Denkmal entgeht, obwohl es »lebensnah« sein soll: Die
Anlage dreht sich nicht, es packen den bewegten Bürger auf der neuen
deutschen Schale also keine Zentrifugalkräfte. So wie im Leben – wo
man schnell an den Rand gedrängt wird und hilflos durch die Freiheit
fliegt.

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