Frage des Glaubens
Es gibt Gründe, die schnelle Seligsprechung Papst Johannes Pauls
II. kritisch zu betrachten. Dazu gehört, dass in seine Amtszeit
Abertausende Missbrauchsfälle in Priesterschaft und Heimen fielen,
die inzwischen auch Nachfolger Benedikt XVI. als gesamtkirchliches
Versagen bezeichnet. Dazu zählt eine auch innerkirchlich umstrittene
Positionierung des früheren Papstes zu Aids, Verhütung und Frauen.
Und es gehört der Eindruck dazu, dass der Vatikan mit dem Eiltempo
der Seligkeit nicht nur Johannes Paul im Jenseits ehren, sondern im
Diesseits auch selbst von neuem Status und dazugehörigem Event
profitieren wollte.
Elemente der Inszenierung treten jedenfalls offen zutage, wenn nun
Blut präsentiert wird, das dem Polen bereits zu Lebzeiten entnommen
wurde. Wenn eigens kirchenrechtliche Vorschriften ausgesetzt wurden,
um ihn schnellstmöglich seligzusprechen. Wenn Experten sein Wirken
und posthumes Wunder nicht lang und transparent genug geprüft sehen.
Gleichwohl müssen auch Skeptiker erkennen, wie ungemein beliebt
dieser Papst war. Seine Biografie beeindruckt. Mit seinen Gesten
gegenüber Juden und Protestanten wirkte er versöhnend. In der
polnischen Anti-Kommunismus-Bewegung spielte er eine wichtige Rolle.
Letztlich aber entzieht sich seine Seligsprechung einer rationalen
Abwägung und bleibt, was sie vor allem anderen ist: eine Frage des
Glaubens.
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