Bremen sitzt auf einem riesigen Schuldenberg.
Bremen verzeichnet die höchste Arbeitslosenquote in Westdeutschland.
In Bremen lernen die Schüler laut PISA-Studien am wenigsten. Bremen
ist arm, so wie Berlin. Doch während man in der Bundeshauptstadt
behauptet, dafür sexy zu sein, bleibt man an der Weser lieber
hanseatisch gelassen – zumindest was Wahlen betrifft. Obwohl die
Sozialdemokraten seit 65 Jahren Bremen und Bremerhaven regieren und
daher für die Probleme verantwortlich gemacht werden können, wurde
Bürgermeister Jens Böhrnsen gestern deutlich bestätigt. Die
Spitzenkandidatin des Koalitionspartners Grüne, Karoline Linnert,
zeichnete in den vergangenen vier Jahren als Finanzsenatorin unter
anderem für Haushaltssperren verantwortlich und trotzdem konnten die
Grünen nochmal deutlich zulegen. Die klare Bestätigung einer
Landesregierung macht Bremen fast schon zu einer Ausnahme in
Deutschland. In Hamburg und Baden-Württemberg wurden in diesem
Superwahljahr Regierungen von den Wählern aus dem Amt gekegelt, in
Rheinland-Pfalz konnte sich Dauerministerpräsident Kurt Beck nur
gerade so nochmal durchs Ziel retten. Natürlich hat der Bundestrend
die Wahlen in Bremen massiv beeinflusst, dieser Urnengang zeigt aber
auch, dass überzeugende Politiker die Chance haben, Ergebnisse vor
Ort stark zu beeinflussen. Die SPD in Bremen blieb stark, obwohl die
Grünen zulegen konnten. Und das obwohl die SPD auf Bundesebene weiter
im Umfragetief verharrt, sich zur Unzeit eine
Kanzlerkandidatendebatte leistet und nicht vermittelt, wofür sie
eigentlich steht. Für den Föderalismus ist das relativ gelassene
Wahlverhalten der Bremer daher als Erfolg zu werten. Eigenständige
und persönlich überzeugende Politik im Stil von Böhrnsen zahlt sich
beim Wähler immer noch aus. Die Bundespolitik liest natürlich
trotzdem aus dem Wahlergebnis Hinweise für die eigene Politik heraus.
Die CDU muss mit der schmerzlichen Erkenntnis leben, dass sie als
Großstadtpartei massive Probleme hat. In Bremen ist sie hinter der
SPD und den Grünen nur mehr dritte Kraft. Das schmerzt. Die Kanzlerin
und CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat vergeblich versucht, durch ein
paar Kraftsprüche in Richtung Europa Anhänger für die Union zu
mobilisieren. Die Kehrtwende in der Energiepolitik hat noch dazu
viele Bürger eher verwirrt als überzeugt. Generell gilt: Nur bei den
Senioren kann die Union noch auf Mehrheiten hoffen. Doch selbst diese
Wählertrutzburg kommt demografisch bald ins Wanken. Die Grünen zogen
vor 32 Jahren in Bremen zum ersten Mal in ein deutsches
Landesparlament ein. Das heißt aber auch, dass viele der jungen
Protestwähler von damals mittlerweile sich dem Rentenalter nähern. Es
ist daher vielleicht nur mehr eine Frage der Zeit, bis die Grünen
auch bei den über 60-Jährigen auf mehr Zuspruch hoffen können –
selbst wenn Fukushima nicht mehr die Wahlkämpfe beeinflusst. Bei der
FDP weist die neue Führungsriege um Philipp Rösler eine
Mitverantwortung für die Wahlschlappe an der Weser natürlich weit von
sich. Der Wechsel an der Parteispitze sei schließlich erst vor einer
Woche erfolgt, das könne sich noch nicht auswirken. Das stimmt aber
nur zum Teil. Rösler machte in den vergangenen Tagen kräftig
Wahlkampf in Bremen. Als früherer Wirtschaftsminister von
Niedersachsen ist Rösler noch dazu in Bremen kein ganz unbekannter
Politiker. Das desaströse Ergebnis liefert insofern schon einen
Hinweis darauf, dass die FDP mehr präsentieren muss als neue Köpfe.
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