WAZ: Sicherheit zuerst. Kommentar von Dietmar Seher

Die Bahn hat ein Trauma. Es ist der weitgehende
Ausfall der S-Bahn in Berlin, der bis ins vergangene Jahr die
Hauptstadt lahmlegte. Die Bremsen hatten sich als unsicher erwiesen.
Vorstände wurden gefeuert. Noch immer werden Prozesse geführt. Vor
allem: Man verlor Kunden und Vertrauen.

Eine Wiederholung des Dramas in dem weit größeren Ballungsgebiet
an Rhein und Ruhr kann sich der Konzern nicht leisten. Vielleicht ist
er deshalb den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Er hat, nach
Auftreten eines Software-Fehlers in den S-Bahn-Zügen, die Triebwagen
nicht stillgelegt. Er hat den „zweiten Mann“ in den Führerstand
geschickt, um die Signale zu beobachten. Und wenn dies auch nur die
Marketingchefin war oder der Bruder des Lokführers.

Eine Lösung, die zunächst verlockend aussieht. Doch: Würde ein
halbblinder Autofahrer von der Unfall-Schuld freigesprochen, nur weil
er vorher seinen mitfahrenden Sohn um die Ansage der nächsten
Ampelschaltung gebeten hatte? Wohl kaum. Die Bahn, das sicherste
Verkehrsmittel überhaupt, ist dem Grundsatz „Sicherheit zuerst“
verpflichtet. Ob sie hier von ihm abwich, ist zu prüfen.

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