Das rot-grüne Experiment einer
Minderheitsregierung währt nun ein Jahr, das Zwischenzeugnis fällt
durchwachsen aus. Zentrale Wahlversprechen sind erfüllt oder werden
es bald sein – wie etwa die Abschaffung der Studiengebühren oder die
Beitragsfreiheit fürs letzte Kita-Jahr. Das ist Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft durch ein lange Zeit geschicktes Jonglieren mit
wechselnden Mehrheiten im Landtag gelungen. Oft leistete die
Linkspartei Hilfestellung, die nötigen Mehrheiten zu erlangen. Aber
auch die CDU verwehrte sich oft genug nicht – etwa bei der Hilfe für
die Kommunen.
Doch die jüngsten Vorkommnisse im Landtag mit der ersten, aber so
gewichtigen WestLB-Abstimmungsniederlage von Rot-Grün haben tiefe
Spuren hinterlassen. Der Zauber und die Leichtigkeit des Anfangs sind
verflogen, plötzlich wirken die Regierenden ausgelaugt. Denn das
Werben um Mehrheiten, die immer notwendige Präsenz in allen
Ausschüssen und Sitzungen, letztlich das Zittern um die Mehrheit –
das alles hat Energie gekostet. Nicht nur Hannelore Kraft wird sich
auf den Urlaub freuen.
Gleichwohl muss sie nicht allzu besorgt sein. Denn der Zustand der
Opposition ist schlecht. Die Machtfrage in der CDU ist immer noch
ungeklärt. Es gibt einen großen Flügel um Fraktionsvize Armin
Laschet, der in einer harten Oppositionsarbeit die Alternative zur
Minderheitsregierung sieht und schnelle Neuwahlen will. Das aber
entspricht nicht den Vorstellungen von Landesparteichef Norbert
Röttgen, der lieber in Berlin den Atomausstieg organisiert, oder
Karl-Josef Laumann, der lieber Oppositionsführer bleibt.
Von den beiden kleinen Parteien droht Rot-Grün keine Gefahr: Weder
FDP noch Linkspartei haben Interesse an Neuwahlen. Denn der
Wiedereinzug ins Parlament wäre nicht sicher.
Die Frage wird sein, was Rot-Grün aus dem WestLB-Desaster lernt.
Es stehen wichtige Entscheidungen an: das neue Schulgesetz, später
die Zahlungen für die WestLB. Vor allem aber die künftigen
Landesetats: Hier wird die Union weiter Druck machen und Einsparungen
fordern. Umschifft Rot-Grün diese Klippen, wird die Koalition bis
2015 durchregieren. Lässt sie es eskalieren, gibt es vorher
Neuwahlen. Doch das hat die Regierung selbst in der Hand.
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